Mono, Poly & Co

Dein Wissens-Podcast rund um Beziehungsgestaltung

#114 - Exit Incel - Interview mit Oliver

Menschlich bleiben trotz sexuellem Frust

14.12.2025 71 min

Zusammenfassung & Show Notes

Oliver spricht mit Sonja über Incels: Ursachen, Risiken und Auswege aus Frust und Isolation – mit konkreten Schutzfaktoren und Hilfsangeboten.

In dieser Folge spricht Sonja mit Oliver über das Incel-Phänomen: Was steckt dahinter, wie entsteht Radikalisierung – und welche Wege führen aus Frust, Einsamkeit und starren Rollenbildern? Oliver teilt offen seine persönliche Geschichte mit unfreiwilliger Enthaltsamkeit und was ihn vor misogynen Echo‑Kammern bewahrt hat. Im Fokus: Aufklärung, Differenzierung und praktische Handlungsmöglichkeiten.

📌 Themen dieser Folge
  • Definition und Dynamik von Incels: Ursprung, Online-Subkultur, Anspruchsdenken und rigide Geschlechterrollen
  • Olivers Weg: jahrelange unfreiwillige Enthaltsamkeit ohne Abrutschen in Hassstrukturen
  • Schutzfaktoren gegen Radikalisierung: gemischtgeschlechtliche Freundeskreise, reale Begegnungen, Hobbys, Werte
  • Dating-Pragmatik: „die richtige Person zur richtigen Zeit“ und mit Absagen rechnen
  • Polyamorie und Communities als Möglichkeitsräume
  • Prävention: Bildung, Enttabuisierung, Begegnungsangebote, regulierte Sexarbeit
  • Gruppendynamiken in Foren: warum Ausstiege oft sanktioniert werden
  • Konkrete Hilfen: Beratung, Stammtische, Kuschelpartys, Events
💡 Das Wichtigste in Kürze
  • Sexuelle Frustration ist schmerzhaft, führt aber nicht zwangsläufig zu Misogynie oder Gewalt.
  • Isolation (vor allem online) erhöht Risiko; soziale Einbettung und reale Kontakte schützen.
  • Erwartungsmanagement hilft: Absagen annehmen, Timing beachten.
  • Communities, Begegnungsformate und nicht-monogame Modelle können neue Wege eröffnen – kein Allheilmittel, aber hilfreiche Hebel.
  • Aufgabe für uns alle: enttabuisieren, aufklären und solidarische Räume schaffen.
🔗 Links & Ressourcen zur Folge
Nachtrag:
Menschen wie Oliver bezeichnen sich manchmal als "absolute Beginner". Diese sind unfreiwillig unerfahren bei den Themen Beziehung und Sexualität und deutlich älter als 20. Gründe, Geschlecht ud andere Attribute sind dabei oft sehr unterschiedlich. Die meisten sind keine Incels. Mehr Information findest du im ab-forum.de

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Transkript

Oliver
00:00:00
Ich sah mich, also zumindest lange Zeit meines Lebens, als Betroffener und ich habe mir überlegt, warum bin ich eigentlich nicht in diese frauenfeindlichen, gewalttätigen Aspekte reingekommen, die sich so um dieses Thema ranken.
Sonja Jüngling
00:00:21
Hallo und herzlich willkommen bei Monogamie, Polyamorie und Co., dem Wissens-Podcast zum Thema Beziehungen in allen Formen. Üblicherweise findest du hier frei zugänglich, sehr kondensiert und gut recherchiert Wissen, Handlungsmöglichkeiten und die Antwort auf übliche Fragen zu Beziehungen in aller Art. Wir, das ist ein Team aus Menschen, die sich mit den Fragen rund um die Themen Beziehungsqualität und Beziehungsformen beruflich und ehrenamtlich beschäftigen und dabei Wissenschaft, Szene-Insights und persönliche Erfahrungen mit einbeziehen. Mein Name ist Sonja Jüngling, hauptberufliche Paarberaterin und Wissensvermittlerin für Menschen, die über ihre Beziehungsform nachdenken. Uns ist es wichtig, unterschiedliche Lebensentwürfe und Sichtweisen zu zeigen sowie ExpertInnen zu Wort kommen zu lassen. Deshalb gibt es neben den Wissensfolgen und den Folgen aus der Praxis immer mal wieder eine Interviewfolge. Solltest du jemanden kennen, dessen Wortbeitrag du hier wertvoll findest, lass es uns gern wissen, auch wenn es dich selbst betrifft. Wir freuen uns, wenn du dich zeigen magst mit deiner Beziehung, deinen Sorgen und Nöten, aber natürlich auch mit all deinen Erfolgen und Gedanken aus deiner ganz individuellen Beziehungswelt. Und nun viel Spaß mit der heutigen Folge von MoPoCo, dem Wissens-Podcast zum Thema Beziehungsvielfalt. Hallo, wie immer möchte ich, bevor es richtig losgeht, einen Überblick geben, was dich in der heutigen Folge erwartet. Ich habe heute einen Interviewgast da und zwar spreche ich mit Oliver über Incels, also Menschen, hetero, cis Männer, die... Unfreiwillig zölibatär sind und sich zu einer misogynen Gruppe zusammengeschlossen 00:02:02.190 --> 00:02:04.930 <v Sonja Jüngling>haben. Die genaue Definition findest du natürlich in der Folge. Ich habe mit Oliver über seinen Weg gesprochen. Oliver hat sich schon sehr früh mit dem Phänomen Incel auseinandergesetzt und wir sprechen darüber, was helfen könnte, was die Gefahr dabei ist und möchten einfach insgesamt auf das Thema Incel hinweisen und einfach klar machen, dass natürlich nicht jeder Mann, der sexuell frustriert ist, gefährlich ist oder Böses im Schilde führt. Warum kommt das in einem Beziehungs-Podcast vor? Genau deswegen. Solo lebende Männer, die vielleicht einen hohen Sexdruck haben, sind nicht per se gefährlich und es wäre vielleicht gut, wenn wir in der Gesellschaft Sexualität und sexuellen Frust häufiger thematisieren und Menschen auch helfen, denn Gemeinschaft, Solidarität und Kontakt und Netzwerk sind einfach insgesamt sehr wichtig. So und jetzt wünsche ich dir ganz viel Spaß mit dem Interview mit Oliver. Bis dann. Hallo zusammen, willkommen zu einer neuen Folge von Mono, Poly & Co. 00:03:04.100 --> 00:03:07.860 <v Sonja Jüngling>Heute gibt es mal wieder ein Interview. Vor mir sitzt Oliver. Hallo Oliver.
Oliver
00:03:08
Hallo.
Sonja Jüngling
00:03:08
Wir sprechen heute über das Thema Incels und wir haben uns den Titel überlegt Exit Incels – Menschlich bleiben trotz sexueller Frustration. Und natürlich werden wir da auch erzählen, was Incels überhaupt sind und ins Thema reinleiten. Aber als erstes möchte ich mal kurz den Oliver ein bisschen vorstellen. Ich habe Oliver, also Oliver und ich sind in denselben Communities unterwegs, in derselben Poly-Community und wir sind uns schon mal in Workshops begegnet, online aber nur. Und das Interview ist zustande gekommen, weil wir im, also ich war im Workshop Exit Incels und fand das Thema so spannend und auch so wertvoll, dass ich gesagt habe, oder ich glaube, du hast es sogar aufgebracht, ich weiß es gerade gar nicht.
Oliver
00:03:46
Ja, ich habe tatsächlich gefragt, also ich wäre neugierig, auch mal interviewt zu werden. Und dann hast du dann, glaube ich, gesagt, ja, mit dem Thema Incel wäre das auch eine gute Sache und wäre mal ganz interessant, da was zu hören.
Sonja Jüngling
00:04:02
Ja, genau. Und das finde ich auch tatsächlich. Ich finde Incel ein spannendes Phänomen. Ich möchte das bekannter machen und ich möchte einfach Menschen, die damit konfrontiert werden, von der einen oder anderen Seite Handlungsmöglichkeiten geben. Und finde, da ist der Oliver ein ganz hervorragender Gesprächspartner. Du benutzt das Pronomen eher ihm. Und magst du ein bisschen von dir erzählen? Also wie alt bist du? Wo wohnst du? Oder keine Ahnung, alles, wozu du Lust hast.
Oliver
00:04:26
Ja, ich bin 54. Stimmt nicht, 55 bin ich.
Sonja Jüngling
00:04:31
Herzlichen Glückwunsch nachträglich. 00:04:33.530 --> 00:04:36.830 <v Oliver>Genau, und wohne in Bonn. Also
Oliver
00:04:36
ich kann gerade erzählen, wie ich überhaupt auf das Thema gekommen bin. Also ich kannte dieses Phänomen. Ich wusste, dass es gibt eine Community, die sich um dieses Thema herum orientiert. Du wirst das gleich noch definieren, aber ich sah mich, also zumindest lange Zeit meines Lebens, als Betroffener und ich habe mir überlegt, warum bin ich eigentlich nicht in diese frauenfeindlichen, gewalttätigen Aspekte reingekommen, die sich so um dieses Thema ranken. Und darum habe ich tatsächlich diesen Workshop damals angeboten. Hatte ich auch schon mehrmals jetzt gemacht in verschiedenen Kontexten und ganz spannende Sachen zusammen. Und ich kann auch gerne da nochmal gucken, so die einzelnen Punkte, die ich mir noch so rausgezogen habe. Was sind denn Aspekte, warum ich da nicht reingeraten bin? und im Idealfall vielleicht auch wie jemand, der von der grundsätzlichen Thematik betroffen ist, da kommt, sich vielleicht schützen kann oder wieder rauskommt aus diesen Phänomenen.
Sonja Jüngling
00:05:50
Ja, dann würde ich jetzt mal eben einmal, damit auch alle abgeholt werden, worüber wir sprechen, kurz die Definition abhandeln. Also vom reinen Wortsinn her, das ist eine Zusammensetzung dieses Wortes in Cells, es wird im amerikanischen Sprachraum entstanden. Das bedeutet genau übersetzt unfreiwillig zölibatär und es hat sich dann so 00:06:08.890 --> 00:06:12.630 <v Sonja Jüngling>in den 2000er Jahren in den USA zu einer Subkultur entwickelt, die meines Wissens nach ausschließlich männlich-heterosexuell ist. Es gibt da eine starke Tendenz zur Misogynie und die Erwartung, dass hegemoniale Strukturen, habe ich heute gelernt, als Grundvoraussetzung gesetzt werden. Also, dass der Mann in der Sexualität die Dominanz hat und die Frau sich unterzuordnen hat. 00:06:31.310 --> 00:06:35.470 <v Sonja Jüngling>Und deswegen gibt es bei den Menschen, die sich als dieser Subkultur zugehörig fühlen, die Erwartung, dass sie quasi das Recht auf sexuellen Kontakt mit Frauen haben. Und es gibt einen großen Hass allen Menschen gegenüber, die sexuell aktiv sind. Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich gerne die Binarität aufbrechen möchte und weg von dem binären Geschlechtersystem gehe, dass wir heute aber natürlich sehr viel über Männer und Frauen sprechen möchten. Ich hoffe, dass für den Fall heute, wenn ich von Männern rede, meine ich männlich sozialisierte Menschen, die auch Bio-Männer sind. Und ich rede auch von Frauen. Vermutlich werde ich wenig von insgesamt FLINTA*s sprechen oder Menschen, 00:07:08.170 --> 00:07:10.170 <v Sonja Jüngling>die sich im diversen Geschlecht zuordnen. Aber mir ist es wichtig, klarzuhaben, Das gibt es und es gibt es hoffentlich bald noch sehr viel deutlicher sichtbar. Okay, ich würde ganz gerne jetzt zum Einstieg ein bisschen auf deine persönliche Geschichte noch gucken. Also du hast gesagt, gerade dass du dich damit beschäftigt hast, weil du selbst, ich sage jetzt mal, wenig sexuelle Kontakte hattest. Und das heißt, irgendwann hast du dir die Frage gestellt, bin ich ein Incel?
Oliver
00:07:32
Ja, also im Nachhinein. Oder eher dann war ich ein Incel sozusagen. Ja, also ich sag mal, ich war, was ich würde mal sagen, mindestens die ersten 40 Jahre meines Lebens hatte ich keine sexuellen Kontakte.
Sonja Jüngling
00:07:46
Unfreiwillig.
Oliver
00:07:47
Unfreiwillig, genau. Also ich hätte ja sagen können, es interessiert mich nicht oder so, aber es interessierte mich schon und kam halt nicht zustande. Und deshalb kann ich also diese Frustration, die in dem Thema drin steckt, die kann ich auf jeden Fall nachvollziehen und die sehe ich auch und die sehe ich auch tatsächlich als problematisch. Ich sehe halt keine wirkliche einfache Lösung dafür. Aber was mir wichtig ist eben auch, ist, dass diese Frustration nicht notwendigerweise dazu führen muss, dass sich ein Frauenhass herausbildet oder dass sich Gewaltakte herausbilden. Es sind ja einige Anschläge auch passiert. Also ich glaube, Christchurch und Halle sind zwei Beispiele, die sich auch mit dieser Incel-Community in Verbindung bringen lassen. Also muss man immer ein bisschen vorsichtig sein mit der Kausalität, ob die jetzt wirklich direkt zusammenhängt, aber es gibt Korrelationen auf jeden Fall. Und das halte ich für bedenklich und wenn ich was dagegen tun könnte, würde ich das gerne machen. Vielleicht einfach ein bisschen aufklären, auch jetzt hier in die Runde.
Sonja Jüngling
00:08:58
Ja, voll schön. Zumal es muss ja nicht immer gleich zu so krassen Gewalttaten kommen. Also alleine diese Haltung von Incels, dass eben die quasi ein Recht dazu haben, manche denken das ja, dass Frauen ihnen sexuell zur Verfügung stehen, das sorgt ja auch dafür, dass es kleinere Übergriffe gibt. Also ich selbst bin als Beraterin und als Mensch schon mehrere Male mit so einer Selbstverständlichkeit angesteuert worden, die eigentlich davon ausgeht, dass ich dafür zuständig bin, meinem Gegenüber in irgendeiner Form sexuell Befriedigung zu geben. Ob das jetzt ganz konkret als Beraterin, kriege ich regelmäßig Angebote ausschließlich von Männern, die mir schon im ersten Anschreiben ganz deutlich machen, dass es hier eigentlich darum geht, dass ich sexuell diesen Menschen irgendwas geben muss mit diesem Kontakt. Das sind eben auch oft Incels. Also das kann ich natürlich nie sagen, weil ich mittlerweile gelernt habe, damit einen Umgang zu finden und das früh abzuwürgen und das auch früh zu erkennen, wenn es in die Richtung geht. Aber sowas gibt es ja auch. Und es gibt durchaus auch die Incels, die du gerade angesprochen hast, die dann wirklich kriminelles und gewalttätiges Potenzial entwickeln und dann Leute stalken und wirklich ganz gezielt die Menschen schädigen durch Anschläge, durch einfach Gewalttaten. Und ich finde es ganz schön, klar zu haben, dass diese Frustration nicht zu dieser Gewalttätigkeit und Misogynie führen muss. Aber die Frage ist, wie ist es dir gelungen? Also ich erlebe dich ja als sehr zugewandten, toleranten, feministischen, liebevollen Menschen. Und wie hast du das geschafft, von einem sexuell frustrierten 40-Jährigen zu einem ausgeglichenen und frauenfreundlichen 55-Jährigen zu werden?
Oliver
00:10:44
Ja gut, also ich glaube nicht, dass ich mit 40 vollkommen sexuell frustriert war und dass das dann sozusagen innerhalb der letzten 15 Jahre geswitcht ist. Ich glaube tatsächlich, dass ich in meinem Leben schon Dinge erlebt habe, die, auch wenn ich keine sexuellen Kontakte hatte, die mir dabei geholfen haben, mich zu stabilisieren. Also ich habe ein paar Punkte notiert sogar, wenn ich die sozusagen mal vorlesen kann. Also eines der Probleme von Incels ist glaube ich, dass sie sehr, die sich sehr in dem Online-Bereich und zwar ausschließlich in dem Online-Bereich befinden und dort aktiv sind. Und das hilft nicht dabei, sich mit Menschen zu kontaktieren und Ja, also sich vollkommen zu isolieren, hat halt immer das Risiko, dass man dann irgendwann die Menschlichkeit verliert.
Sonja Jüngling
00:11:48
Weil man immer nur das hört, was man ohnehin schon denkt und Hass und negative Spiralen bestärkt werden.
Oliver
00:11:54
Ja, das ist genau das Echo-Kammer-Prinzip kommt eben auch noch dazu. Ja, genau.
Sonja Jüngling
00:12:00
Und online, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche, aber online ist es ja eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass ich schriftlich etwas Negatives oder Falsches oder Provokatives loswerde, als wenn ich es mündlich tue.
Oliver
00:12:11
Ja.
Sonja Jüngling
00:12:13
Also die Schwelle ist ja viel leichter, jemanden zu beleidigen oder abzuwerten, als wenn ich mit dieser Person im selben Raum bin und dem gegenüber sitze.
Oliver
00:12:19
Ja, das auch. Genau, ja, ich habe dann aufgeschrieben, ich habe eigentlich immer einen starken Freundeskreis gehabt, der eben auch nicht nur aus einem Geschlecht bestand. Und ja, insofern hatte ich auch Kontakt zu Frauen, eben auch Begegnungen im nicht sexuellen Kontext. Und ich glaube, dass ich dadurch eben auch sehr viel erfahren habe über Frauen.
Sonja Jüngling
00:12:51
Wie sie wirklich sind.
Oliver
00:12:53
Wie sie wirklich sind, ja. Ich habe auch im Freundeskreis Beziehungen beobachtet, also nicht gestalkt, aber schon Entwicklungen mitbekommen, wie wann geht da vielleicht was auseinander, wo gibt es plötzliche mal Konflikte oder so. Und das ich glaube, das hat mir geholfen, also das auch vielleicht diese Idealisierung von Geschlechterrollen aufzuheben und in irgendwie einen realistischen Kontext zu bringen.
Sonja Jüngling
00:13:28
Vielleicht auch die Idealisierung und die Wichtigkeit von Sex nochmal in den Kontext zu setzen? Habe ich was vorweggenommen jetzt?
Oliver
00:13:36
Ne, also das ist auch noch so eine Sache, ich glaube ich habe jetzt gemerkt Sex hat nicht die Wichtigkeit, die ich ihm zugemessen hatte, aber ich glaube, das konnte ich tatsächlich erst bemerken, als ich selber Sex erlebt habe. Ich habe das schon öfter vorher gehört, aber glauben konnte ich es wirklich erst, als ich wusste, wie sich das anfühlt, was passiert da und so.
Sonja Jüngling
00:14:07
Das heißt, bei dir war es so und ehrlich gesagt würde ich sagen, ist es bei mir auch so, dass Sexualität wirklich auf so eine, das wird wirklich so richtig auf ein Podest gehoben, wie toll das ist und wie wichtig das ist und wie definierend das ist und wie viele Probleme das löst und so. Also das ist bei dir durchaus passiert, aber hast du Sexualität auch als wichtig empfunden, weil es Ausdruck von einer Beziehung ist, die du bis dato dann noch nicht hattest? Also hat das was mit diesem Beziehungsaspekt zu tun?
Oliver
00:14:39
Ja, auch. Ja, aber was du auch sagtest, ich habe ihm auch sehr viel mehr Heilkraft zugemessen, als es sich dann herausgestellt hat, wie viel hatte es wirklich. Also wenn ich es dann sagen darf, so nach dem ersten oder zweiten Mal, dann hatte es eine Heilkraft und es war so ein Druck gelöst in mir. Ja, also das schon, aber es hat nicht so dieses allumfassende universelle Wundermittel, das ich so ihm vorher vielleicht zugestanden hätte, ja.
Sonja Jüngling
00:15:25
Zumal ich ja auch sowieso immer finde, also Sex ist toll, braucht man nicht drüber zu reden, aber ich finde halt auch, also wenn ich so sexuelle Sehnsüchte habe, Und die erfüllen sich dann, sind sie meistens, also sie sind auf jeden Fall anders, als sie vorher in meinem Kopf waren. Und wenn ich zum Beispiel sexuell träume, ist es auf jeden Fall intensiver als in der Realität. Und es gibt ja ganz viele Fantasien, die besser in der Fantasiewelt bleiben bei manchen Menschen. Also mein Lieblings-Einfaches Beispiel ist Duschsex. Habe ich früher auch immer gedacht, wie großartig. Und wenn ich das in Filmen gesehen habe und jetzt denke ich so, naja, und dauernd tropfen wir das Wasser ins Gesicht. Und eigentlich brauche ich einen Hocker und der Boden ist glipschig. Also es hat schöne Aspekte, ohne Frage. Aber es ist lange nicht so schön, wie es in der Fantasie ist, weil ich in der Fantasie natürlich die negativen Aspekte einfach rausdenken kann. Und ich glaube, um ein Vielfaches erhöht ist es eben, wenn es vorher keine sexuellen Erlebnisse gab und dann das noch mit einer Beziehung gleichgesetzt wird und so weiter. Hättest du einen Tipp für jemanden, der vielleicht in der Position ist, in der du warst, als du 35, 40 warst, dass ein Satz oder einen Aspekt, der dir geholfen hätte zu verstehen, dass das eigentlich Quatsch ist, dass Sex die Lösung für alles ist?
Oliver
00:16:41
Nee, schwierig. Nee, schwierig. Nee, ich glaube, ich habe keinen.
Sonja Jüngling
00:16:49
Hallo zusammen, Sonja mal wieder aus der Postproduktion. Im Nachgang ist Oliver dann doch noch etwas eingefallen, was ihm in der Durststrecke geholfen hätte. Wir haben versucht, dass er mir das per Sprachnachricht schickt, das hat aber aus technischen Gründen einfach nicht gepasst, sodass ich jetzt versuche, das mal wieder zu geben. Was Oliver geholfen hätte, am besten von Menschen aus seiner Peergroup oder von Frauen in seinem Alter zu hören, wäre eine gewisse Anerkennung, dass es okay ist, diese Abenteuerlust und die Lust auf sexuelle Abenteuer zu haben, dass eben nicht alle Menschen dafür zur Verfügung stehen, dass es aber Menschen gibt, die dafür zur Verfügung stehen und dass das manchmal schwer ist, die zu finden und dass es vermutlich auch jedem so geht oder vielen Menschen so geht. Und das Zweite, was Oliver noch total geholfen hätte, das ist ihm im Nachgang auch noch aufgefallen, ist, wenn ihm vorher jemand den Tipp gegeben hätte, die euphorische Stimmung und die Gefühle, die bei Kontakt mit neuen Menschen entstehen und auch die Begeisterung für neue Personen, wenn die auftauchen, dass er die genießen darf, ohne darauf hinzuarbeiten, dass da was draus wird und dass es zu Sex führt, weil die Stimmung davor eben auch schon was Schönes ist und viel Bestätigung hat und so. Das hätte ihm auch noch geholfen. Das wollte ich noch gerne ergänzen.
Oliver
00:18:11
Also ich habe eine Regel, die vielleicht hilft, überhaupt sich auf dieses Feld zu begeben, aber ich fürchte, die hilft nicht. Also die Regel wäre, oder sagen wir zwei Regeln, die erste Regel wäre, die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt ansprechen.
Sonja Jüngling
00:18:30
Aber wie erkennst du das?
Oliver
00:18:31
Genau, dafür gibt es die zweite Regel, sich auf eine Niederlage einstellen sozusagen, auf eine Absage einstellen.
Sonja Jüngling
00:18:42
Okay, spannend. Auf eine Niederlage einstellen. Das finde ich ehrlich gesagt voll gut. Also und zwar gar nicht so nach dem Motto, wird ja eh nichts, sondern es ist eine ernsthafte Möglichkeit, dass eine Absage kommt. Und niemand hört eigentlich gerne ein Nein. Ich freue mich am Ende darüber, weil ohne ein Nein gibt es kein echtes Ja. Aber in dem Moment, wo ich einen Wunsch habe, wünsche ich mir natürlich, dass der erfüllt ist. Und deswegen ist ein Nein immer blöd. Und sich darauf einzustellen, was mache ich eigentlich, wenn da wirklich ein Nein kommt und wie gehe ich damit um, das ist voll die gute Regel. Ja, okay. Und wenn du sagst, die richtige Person zum richtigen Zeitpunkt fragen, wie ist dir das gelungen?
Oliver
00:19:22
Also es ist ein bisschen schwierig, wann zähle ich das erste Mal, weil es gab vielleicht vorher Dinge, wo ich sagen würde, das war was Intimes, Sexuelles, aber das war nicht so eigentlich Sex, wo es vielleicht nur so in eine Richtung ging. Und ich glaube, das erste Mal, dass ich dann zählen würde, da war die Frage, die war gestellt tatsächlich ein paar Monate vor dem Event. Und meine Frage war tatsächlich an die Frau dann, und zwar hatte ich gefragt, gar nicht mit der Absicht, mit dieser Frau wirklich, also... Also die Frage war nicht dafür gedacht, direkt ein Ja zu bekommen, sondern die Frage war wirklich offen gestellt. Und ich habe halt gefragt, ob sie jemanden wüsste, der Sex mit mir haben würde. 00:20:26.210 --> 00:20:29.550 <v Oliver>Und dann meinte sie, das ist eine gute Frage. Ja, sie wüsste jemanden, nämlich sich selber.
Sonja Jüngling
00:20:33
Oooohh.
Oliver
00:20:34
Und das fand ich, also das war ein, das war wirklich eine Überraschung, dass diese Antwort kam. Und insofern war das eine, hat mir so den Tag auf jeden Fall schon mal gerettet.
Sonja Jüngling
00:20:45
Ja.
Oliver
00:20:45
Und genau, das führte dann sozusagen tatsächlich zu meinem ersten Mal, ja.
Sonja Jüngling
00:20:50
Ja, schön. Wie bist du denn dann damit umgegangen? Also ich meine, du hast das so, sagen wir mal, 30 Jahre total idealisiert und dann ist es dazu gekommen und dann hast du gerade gesagt, naja, und dann habe ich festgestellt, das ist irgendwie nicht so, das ist anders, vielleicht warst du fürchterlich enttäuscht oder wie ging es dir danach?
Oliver
00:21:10
Ich glaube, ich war ernüchtert, tatsächlich. Und deshalb war der Kontakt dann ein bisschen schwieriger zwischen mir und der Person danach.
Sonja Jüngling
00:21:22
Konntest du denn zuordnen, dass es eher an deiner Enttäuschung lag und nicht an ihrer Performance, sage ich jetzt mal? Oder lag es auch an ihrer Performance? Ich weiß ja nicht.
Oliver
00:21:33
Also ich sage mal, ich hatte so in dem Fall das beste erste Mal, das ich hätte haben können.
Sonja Jüngling
00:21:41
Schön.
Oliver
00:21:41
Weil es gab genug Zeit vorher. Wir haben so ein bisschen drüber geredet. Ich habe das Gefühl, das war von mir aus aber nicht so. Also im Nachhinein hätte ich mir von mir selber, von meinem Anspruch her, hätte ich gerne mehr Anerkennung gegeben. Aber ich war, glaube ich, zu sehr mit mir selber beschäftigt an dem Punkt.
Sonja Jüngling
00:22:09
Verständlich.
Oliver
00:22:09
Ja, ansonsten bedauere ich tatsächlich von ihr gegenüber.
Sonja Jüngling
00:22:15
Du hast aber keinen Kontakt mehr zu der Person?
Oliver
00:22:18
Sporadisch, sehr sporadisch.
Sonja Jüngling
00:22:20
Das heißt, theoretisch könntest du es nachholen irgendwann?
Oliver
00:22:22
Ich könnte es nachholen, ja.
Sonja Jüngling
00:22:23
Schön, sowas finde ich mir immer gut. Ich habe tatsächlich schon mal ein Erlebnis mit jemandem gehabt, der in einer ähnlichen Position war wie du. Er war ein bisschen jünger, aber der ist eben auch an mich herangetreten und hat gesagt, Alter, mir geht das so auf den Sack, das wird so idealisiert, ich will es jetzt einfach hinter mich bringen. Und ich weiß gar nicht, ob er mich direkt gefragt hat oder ob ich das vorgeschlagen habe und tatsächlich hat das dazu geführt, dass es eine gewisse Entspannung in diesem Menschen gab und ich weiß nicht, ob es daran lag oder nicht, der hat dann relativ kurz danach auch eine Frau kennengelernt, mit der tatsächlich immer noch verheiratet ist und also ich kann das schon nachvollziehen und ehrlich gesagt also mein erstes Mal hatte ich glaube ich mit 17, das war, Ziemlich typisch weidlich, nicht besonders angenehm und so. Aber ich bin ehrlich gesagt froh, dass es so früh und auch so enttäuschend war. Also es war gar nicht so enttäuschend, dass ich sagen kann, der andere hat was falsch gemacht oder so. Aber ich habe, wie wir alle Frauen das beigebracht kriegen, beim ersten Mal ist es normal, dass es weh tut. Ich wurde nicht richtig vorbereitet, ich hatte Angst, all solche Geschichten. Und ich war aber trotzdem froh, dass eben ich dadurch einfach dieses Problem nicht hatte. Wie ist es denn bei dir überhaupt dazu gekommen, dass es 40 Jahre nicht passiert ist? Gab es bei dir auch schon so eine Idee, ich muss mit der Frau zusammen sein? Oder hast du vielleicht einfach tatsächlich dich gefragt oder nicht die richtigen Menschen gefragt? Hast du eine Idee, wie es dazu kommen konnte oder eine Theorie?
Oliver
00:23:52
Nee, also eine sichere Idee habe ich nicht. Ich vermute, dass ich, ich habe wahrscheinlich zu schnell gefragt und die falschen Personen.
Sonja Jüngling
00:24:04
Möglich.
Oliver
00:24:05
Und bin irgendwie nicht an die Richtigen geraten, würde ich sagen. Jetzt so im Nachhinein, da ich ja jetzt auch mich mit Poly beschäftige, glaube ich auch, dass es für mich, dass auch Polyamorie für mich die Sache erleichtert hat. Also ich würde jetzt gar nicht mal sagen, jeder, der jetzt noch nie was hatte und damit unzufrieden ist, der soll unbedingt Poli werden. Aber es geht, glaube ich, eher darum, dass ich jetzt sozusagen die Beziehungsform, die ich gerne mir wünschen würde, dass ich die da gefunden habe. Und dass ich das auch so leichter kommunizieren kann. Und dadurch werden natürlich Menschen rausfallen, wahrscheinlich mehr als drinbleiben, aber es ist hilfreich und es hat mir geholfen, da weiterzukommen.
Sonja Jüngling
00:25:03
Ja, das glaube ich sofort. Zumal meiner Erfahrung nach es auch so ist, dass Sexualität, also konkrete Sexualität in Polikreisen, also in den Polikreisen, in denen ich und du dich ja auch bewegst, wird es expliziter ausgesprochen und auch konkreter wirklich thematisiert. Und je älter wir werden, desto geringer ist ja im Grunde genommen die Wahrscheinlichkeit, einen Solo-Menschen zu treffen. Und im Poly-Leben ist das egal, weil wenn es trotzdem eine sexuelle Offenheit gibt und keine Poly-Treue, dann kann ich ja auch mit einem Menschen sexuelle Kontakte haben, der vergeben ist, in Anführungsstrichen. Und ich glaube, dass da insgesamt eine größere Offenheit ist. Und meiner Erfahrung nach ist auch eine größere Offenheit bezüglich, ich sag jetzt mal, körperlicher Diversität da. Also ich habe eigentlich den Eindruck, dass in... Poly-Kreisen, zumindest da, wo ich mich bewege, sehr viel mehr Akzeptanz da ist für unterschiedliche Körperformen, für besonders große, kleine, dicke, dünne Menschen, für Menschen mit / ohne Haare. Also da ist einfach, ich habe den Eindruck, dass da eine größere Akzeptanz ist und weniger auf die Normschönheit geachtet wird zum Beispiel. Und damit auch insgesamt, also ich fühle mich in den Kreisen sehr viel attraktiver, weil ich eben weiß, dass die Leute nicht so darauf gucken, dass ich ein paar Kilos zu viel habe, sondern eher auf meine Ausstrahlung schauen. Und ich will nicht sagen, dass es in Monokreisen nicht der Fall ist, aber alleine, weil es da so explizit immer wieder ausgesprochen wird und auch da enthusiastisches Jahr gelebt wird und all solche Sachen, habe ich, also ich laufe da einfach auch ganz anders rum mit einer ganz anderen Einstellung. Und deswegen kann ich mir das gut vorstellen, dass das hilfreich war. Und ich nehme an, du bist bevor du 40 wurdest, nicht in Polykreisen rumgelaufen? Nee. Aha, okay.
Oliver
00:26:55
Gar nicht, ja. Also mit Polyamorie bin ich halt erst wirklich in Berührung gekommen, sage ich mal, durch einen Vortrag.
Sonja Jüngling
00:27:05
Weißt du noch, welcher das war?
Oliver
00:27:07
Ja.
Sonja Jüngling
00:27:08
Magst du es teilen? Ich finde sowas ja immer schön.
Oliver
00:27:10
Das war tatsächlich auf einer Mensa-Veranstaltung. Und zwar ein europäisches Jahrestreffen von Mensa. Und das war in Stockholm.
Sonja Jüngling
00:27:22
Und weißt du noch, wie der Vortrag hieß?
Oliver
00:27:24
Nee, tatsächlich nicht. Aber es war halt von einer Schwedin und da war es erst kritisch, ob der überhaupt stattfindet, weil die hat gesagt, sie hat eigentlich gar kein Material und dann wurde sie aber wohl auf dieser Veranstaltung von so vielen Menschen angesprochen, die gerne den Vortrag hören wollten, dass sie dann gesagt hat, ja gut, dann mache ich den doch. Und da fand ich ein sehr schönes Bild, dass sie gesagt hat, ja, man stellt sich Liebe irgendwie immer nur so wie ein Glas Wasser vor. Das hat eine bestimmte Menge und dann wird die vielleicht ausgetrunken und dann ist sie weg. Also es ist nur eine ganze Menge von Liebe da. Und sie stellt sich aber Liebe so als Wasserhahn vor. Also der ist angeschlossen an so einen Kreislauf und es kommt halt immer wieder neues Wasser nach. Und genau.
Sonja Jüngling
00:28:22
Voll schön das Bild.
Oliver
00:28:23
Ja, genau. Das fand ich auch gut.
Sonja Jüngling
00:28:25
Und das Thema vom Workshop war tatsächlich auch Polyamorie?
Oliver
00:28:28
Genau. Also genau, Polyamorie und Beziehungsanarchie.
Sonja Jüngling
00:28:33
Wollen wir nochmal auf deiner Liste ein bisschen weiter gucken?
Oliver
00:28:35
Ja, ich glaube, da habe ich auch nicht mehr viel, aber zwei Sachen wären noch drauf. Also das eine, also die sind alle miteinander verknüpft, diese Sachen. Genau, also das eine, was ich noch drauf habe, ist, dass ich eben sehr viele Hobbys, Aktivitäten hatte und habe, die mich auch in Kontakt gebracht haben mit vielen Menschen, also insbesondere so Pen-Paper-Rollenspiele.
Sonja Jüngling
00:29:05
Wo ja auch viele Polys rumhängen.
Oliver
00:29:07
Ja, genau. Also es gibt irgendwie immer Verschneidungen mit den Sachen, die ich mache. Tatsächlich habe ich in Mensa eine SIG gegründet, also eine Special Interest Group. Also eine Untergruppe für besondere Interessen und so. Und da eben für Polyamorie tatsächlich. Und, Die hat auch schon so im dreistelligen Bereich Mitglieder.
Sonja Jüngling
00:29:34
Wow.
Oliver
00:29:35
Da gibt es also auch eine große Überschneidung, behaupte ich mal.
Sonja Jüngling
00:29:39
Ich würde einen Mensa-Link auch in die Shownotes mit reinpacken. Magst du mal kurz erklären, was Mensa ist?
Oliver
00:29:44
Ja, Mensa ist ein Verein für Hofbegabte. Ursprünglich mal in England gegründet. Und es kamen dann halt mehrere andere Mensen nach. Unter anderem eben auch der deutsche Zweig. Und genau, da gibt es auch viele Veranstaltungen. War ursprünglich mal so gedacht, als ja, es müssten eigentlich Menschen, die besonders intelligent sind, müssten sich eigentlich so eine bessere Welt herbeidenken können. Das war so ein bisschen die idealisierte ursprüngliche Idee. Und jetzt ist aber eher so ein gegenseitiger Austausch und das also meistens funktioniert das ganz gut, weil das eben Menschen sind, die sich dann sehr leicht verstehen und, Vielleicht ähnlich wie Polyamorie tatsächlich nicht unbedingt so immer alles erklären müssen, warum sie bestimmte Dinge denken oder nicht.
Sonja Jüngling
00:30:51
Also ich könnte mir vorstellen, das wäre meine Theorie, dass in der Mensa viele Menschen sind, die einfach besonders sind und auch mit diesem Gefühl aufgewachsen sind, vielleicht nicht so wirklich dazuzugehören und alleine sich deswegen schon gut verstehen. Ich könnte mir außerdem vorstellen, dass sehr viele nicht neurotypische, also neurodivergente Menschen da rumlaufen, weil da gibt es ja auch oft eine Hochbegabung und ich habe ja schon mal gesagt, dass die Überschneidung zwischen Polyamorie, Beziehungsanarchie und Neurodivergenz auch ziemlich hoch ist. Also mich würde mal interessieren, ob bei den Mensa-Mitgliedern, ob es da eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit für Nicht-Monogamie-Menschen gibt. Gibt es natürlich keine Studie dazu, aber würde mich mal interessieren.
Oliver
00:31:36
Ja, habe ich auch. Also ich habe nur die Statistik sozusagen von der SIG-Gruppe. Das sind glaube ich so 300 Mitglieder. Und in Mensa sind es, glaube ich, jetzt 17.000 oder so. Aber man weiß natürlich, es ist keine eindeutige Zuordnung. Es kann theoretisch ja auch in dieses SIG jemand eintreten, der sich einfach für das Thema interessiert, auch wenn er selber nicht Poli leben will oder möchte. Und andererseits können auch viele Polys sein, die nicht in dieses SIG reinkommen.
Sonja Jüngling
00:32:16
Das stimmt.
Oliver
00:32:17
Ja, genau. Und vielleicht noch das Letzte hier auf der Liste. Dann ist sie auch durch. Das sehe ich dann so im Wertesystem, dass ich mitbekommen habe und dass ich auch so leben möchte. Also, dass ich Wert lege auf Menschenrechte, Gleichberechtigung. Du hast mich als Feminist bezeichnet. Das nehme ich mal als Kompliment.
Sonja Jüngling
00:32:44
Sehr schön. Ich möchte da kurz was ergänzen: Ich habe dich deswegen als Feminist wahrgenommen... Für mich sind Menschen Feministen, die versuchen, versteckte Machtstrukturen abzubauen und Menschen einfach als Menschen wahrzunehmen und Individualitäten als selbstverständlich wahrzunehmen. Und so habe ich dich in diesem Workshop auch erlebt, ja.
Oliver
00:33:06
Also ich, ja, dem würde ich zustimmen, ja. Ja, aber das ist so der letzte Punkt praktisch auf dieser Liste, den ich erwarte. Ich habe mich auch gefragt, ob ich vielleicht, das wäre dann die schlechte Nachricht für andere Incels, aber ob ich vielleicht auch durch eine Privilegiertheit nicht so reingerutscht bin in dieses Incel-Phänomen, sage ich mal. Also ich bin weitestgehend nicht von Armut betroffen. Gut, männlich weiß, wären die meisten anderen Incels auch.
Sonja Jüngling
00:33:41
Ja, wahrscheinlich.
Oliver
00:33:44
Ja, also ich lebe nicht in irgendwie prekären Verhältnissen oder so. Und ich glaube, wenn das prekäre Verhältnisse noch dazukommen würden, dann würde ich auch kritischer leben, als ich das jetzt tue.
Sonja Jüngling
00:33:59
Ich vermute, dass halt auch deine Bildung und Zugang zu Netzwerken und Bildung eine Rolle spielt. Und das, also je höher die Intelligenz ist oder je höher der Bildungsgrad ist, desto mehr Zugang habe ich ja auch zum Beispiel zu Sachen wie ChatGPT. Also wenn ich nicht weiß, wie ich dieses Tool nutzen kann, dann werden mir ja einfach auch verschiedene Werkzeuge nicht zugänglich. Und das spielt sicherlich auch noch eine Rolle. Magst du die Liste nochmal einmal zusammenfassend vorlesen? Also es ist ja eine Liste von den Dingen, von denen du glaubst, die dir geholfen haben, dass du nicht in die frauenhassende Incel-Richtung gegangen bist.
Oliver
00:34:39
Ja, kann ich gerne nochmal machen. Also das erste war nicht nur Online-Leben. Das zweite war also ein starker Freundeskreis. Das dritte andere Hobbys und Aktivitäten. Das vierte Begegnungen mit Frauen, in dem Fall auch im nicht-sexuellen Kontext. Und das fünfte ist das Wertesystem. Gleichberechtigung und Menschenrechte.
Sonja Jüngling
00:35:07
Mir ist auch wichtig an der Stelle zu sagen, das nicht per se, Ein Mann, nur weil er keine sexuellen Kontakte unfreiwilligerweise hat, nicht grundsätzlich die Gefahr droht, dass er gewalttätig wird. Also das würde ja sagen, alle Männer sind potenziell eher dazu in der Lage, gewalttätig zu werden, weil sie sexuell frustriert sind als Frauen. Also das ist mir nochmal ganz wichtig zu sagen, dass es ja ganz viele Menschen gibt, die auch ohne diese Punkte wissen, dass obwohl ich frustriert bin, das nicht bedeutet, dass es okay ist, Gewalt auszuüben oder hasserisch zu sein. Das ist das eine, was ich gerne sagen würde dazu. Trotzdem ist es natürlich total gut zu wissen, was könnte dazu beitragen. Und wir hatten es im Vorgespräch schon. Ich habe letztens einen Beitrag von Oliver Liebl gehört, der ja Freundschaft und Beziehung hinterfragt. Und der hat eben auf eine Studie referiert, die ganz klar sagt, dass Männer häufiger Probleme damit haben, solo, ohne Sex oder allein zu sein, weil es eben sehr viel weniger Netzwerk und soziale Bindungen gibt häufig als bei Frauen. Und das würde ja einfach deinen Werdegang noch mal bestätigen, dass du sagst, dass ich so viele, also du hast ja nicht nur ein gutes Netzwerk und Kontakt zu Frauen gehabt, was ja einfach total hilft, dass auch überhaupt Sexualität eine Rolle spielen kann zu Frauen, sondern du hast ja auch gesagt, ich habe Hobbys, ich habe einfach vielfältige Kontaktmöglichkeiten und auch Beschäftigung gehabt. Also nehmen wir mal rein theoretisch an, ich habe einen wahnsinnig hohen Sex-Drive und dann keine Möglichkeit zu kontakten und ich habe keine Hobbys, damit habe ich auch keine Bestätigung und habe nur die Online-Community, das ist halt die schlechtmöglichste Kombi. Und wenn Gewalt dann auch noch als normal dargestellt wird, was ja online häufig der Fall ist, dann steckt man schneller in der Falle drin, als man gucken kann. Und da kann noch so sehr das Wertesystem gegensteuern, wenn halt der Leidensdruck groß genug ist, dann ist das Wertesystem irgendwann egal. Und insofern finde ich wichtige Punkte. Total gut. Ich schaue mal gerade auf meinen schlauen Zettel, was ich mir noch aufgeschrieben hatte, worüber ich gern sprechen möchte. So, deine Liste hatten wir schon. Wir haben auch schon mehrfach gesagt, dass es keine Kausalität zwischen fehlender sexuelle Erfahrung und Gewalt oder Misogynie geben muss, sondern dass es da eine Möglichkeit gibt. Und wichtig ist eben auch klar zu haben, dass nicht alle alleinstehenden Männer ohne sexuellen Kontakt Inzelt sind. Also selbst wenn da eine große Bedürftigkeit wahrgenommen wird von Menschen. Weil die sich vielleicht einsam fühlen oder einfach so einen Vibe haben, wo ich merke, könnte sein, dass der jetzt gleich nach Sex fragt oder so, heißt das noch lange nicht, dass diese Person ein Inzell ist. Und gleichzeitig ist total wichtig, im Kopf zu haben, dass die Möglichkeit besteht. Und das ist ja auch das, was wir im Vorgespräch gesagt haben. Wichtig ist, da eine Awareness, eine Sichtbarkeit für zu haben, dass es eben Menschen gibt, die so frustriert und so abseits der Gesellschaft leben, dass eben Gewalt, Übergriffigkeit bestehen kann. Und eben diese Menschen denken ja vermutlich von sich selbst nicht, dass sie unanständig Arschlöcher oder sonst irgendwas sind, sondern in diesen Gruppen, das war ja auch in unserem Workshop, wurde das ja ganz klar gesagt, wird ja immer wieder auch die Geschichte erzählt, dass Frauen nur dazu da seien, Männer sexuell zu dienen. Das heißt, die Menschen, die sich dieser Incel-Community auch wirklich bewusst anschließen, das ist ja ein bewusster Prozess, die bestärken sich gegenseitig darin, im Recht zu sein. Und Das im Kopf zu haben, dass diese Menschen mit einer moralischen Rechtfertigung Sexualität einfordern und da vorsichtig zu sein, ist ganz wichtig. Ich würde in diesem Fall nochmal einen kleinen Gender-Ausflug machen, weil ich könnte mir vorstellen, dass alle als schwächer wahrgenommenen Wesen da in Frage kommen. Also ich könnte mir vorstellen, dass ein Incel auch zum Beispiel eine nicht-binäre Person oder eine Transfrau ansteuert.
Oliver
00:39:12
Ja, dem würde ich zustimmen. Also, dass ich mir das vorstellen könnte, gerade auch, weil ich glaube, dieser Hass auf alles, was nicht in die vermeintlich normale Geschlechterrolle, also Geschlechterbinarität reinfällt, ist insbesondere dann einer Bedrohung ausgesetzt, wenn es auf so eine Vorstellung, auf sehr starke Zufallung, Zuordnung von Geschlechterrollen trifft. Und die sind glaube ich in diesen Incelköpfen sehr deutlich vorhanden. Also da ist völlig klar, wie du sagtest, Frauen sind genau dafür da, Also Sex zu geben oder es zu verweigern. Und Männer sind dafür da, Sex haben zu wollen von den Frauen.
Sonja Jüngling
00:40:08
Das heißt, es ist auch eigentlich für die Männer kein günstiges Bild.
Oliver
00:40:13
Ja, sowieso nicht.
Sonja Jüngling
00:40:15
Weil das würde ja, so wie du es gerade sagst, und ich glaube, dass du da recht hast, heißt das ja auch, es ist meine Rolle, Sex oder mehr Sex zu wollen als Frauen. Das heißt, wenn ich dann auch noch vielleicht eine geringe Libido habe, dann fühle ich mich auch noch falsch.
Oliver
00:40:28
Ja.
Sonja Jüngling
00:40:28
Ja, genau. Und das heißt nämlich auch, dass diese Männer von sich auch erwarten, in einem Kontext mit, wo Frauen zugegen sind, regelmäßig danach zu fragen, beziehungsweise das einzufordern, weil es ja ihrer Rolle entspricht. Ja, stimmt. Spannend.
Oliver
00:40:45
Was ich auch ganz erstaunlich finde, also was ich jetzt von einem Incel-Forum gehört hatte, dass der Gründer, der das eigentlich auch mal in der ursprünglichen Version gegründet hatte, als uns geht es nicht so gut, weil wir zu wenig Sex haben, dass der, als er tatsächlich eine Partnerin gefunden hatte, aus diesem Forum heraus auch als Verräter angefeindet wurde.
Sonja Jüngling
00:41:09
Ui, krass.
Oliver
00:41:10
Und das finde ich schon erstaunlich. Also ich könnte auch sagen, man könnte ihn jetzt beglückwünschen. Ja, super, du hast das geschafft. Schön, dass du jemanden gefunden hast. Aber nee, du zerstörst gerade unser Weltbild und das geht so nicht, so ungefähr. Das ist, finde ich, dann schon bedenklich.
Sonja Jüngling
00:41:32
Ja, und ich habe auch bei der Recherche gelesen auf Wikipedia, das ist eigentlich keine zu zitierende Quelle, Aber da stand eben auch drin, dass im Grunde genommen alle Menschen hassen, die Sex haben. Und das würde das ja wieder bestätigen. Ja, fürchterlich. In dem Workshop, den wir hatten, also es heißt ja Exit Incel und so hieß auch der Workshop, da haben wir immer wieder versucht, Dinge zu sammeln, wie man oder wie die Gesellschaft dafür sorgen kann, dass es möglichst wenig Incelts gibt und aber auch wie Menschen, wie die Gesellschaft dafür sorgen kann, dass Incelts aufhören, Incel-Dinge zu tun oder aufhören, Incel zu sein oder sich dieser Gruppe zugehörig zu fühlen. Und also erstmal würde mich deine Meinung dazu interessieren. Glaubst du, also macht das Sinn? Glaubst du, dass das erfolgreich sein kann? Dass eine Gesellschaft daran arbeiten kann, weniger Incels zu haben und auch Incels zu retten, in Anführungsstrichen, und in eine glückliche Sexualität zu führen?
Oliver
00:42:32
Also ich glaube, das wäre ein gutes Ansinnen.
Sonja Jüngling
00:42:36
Ja.
Oliver
00:42:38
Ich sehe nicht so richtig eine Möglichkeit dazu. Also es ist schwierig.
Sonja Jüngling
00:42:43
Warum?
Oliver
00:42:44
So wie ich meine Frustration erlebt habe, kann ich, also ich wüsste jetzt kein geeignetes Mittel, um diese Frustration irgendwie aufzulösen, weil man kann ja nicht einfach, also es ist ja eigentlich unmöglich, jemandem Sex zuzuführen, sage ich mal. Es ging ja vielleicht irgendwie auf virtuellem Wege oder so, dass man da irgendwie Möglichkeiten findet, aber es ist nicht physisch wirklich sinnvoll. Also man will ja eigentlich so auch im Konsens bleiben, im Gegenseitigen, in der sexuellen Begegnung und dann wird es schon nicht ganz einfach, sage ich mal.
Sonja Jüngling
00:43:28
Aber es könnte ja zum Beispiel wie so eine Art Selbsthilfegruppe oder Angebote geben für Menschen, die...
Oliver
00:43:34
Ja, also das, genau, sowas könnte ich mir schon vorstellen. Das wäre so ein bisschen an den Rändern etwas hinwegnehmen und da vielleicht ausgleichend eingreifen. Das wird wahrscheinlich nicht das ganze Phänomen plötzlich verschwinden lassen. Das ist halt das Traurige dran.
Sonja Jüngling
00:43:54
Naja, trotz alledem, ich finde so eine gewisse Achtsamkeit dafür zu entwickeln oder ein Wissen haben, dass es eben Menschen gibt, die sexuell frustriert sind und sich mehr Sex wünschen würden, es aber nicht schaffen. Aus welchen Gründen auch immer, da gibt es ja vielfältige Gründe, dass man vielleicht als Homosexueller auf dem Land lebt oder es kann ja auch Außengründe haben. Aber da sich bewusst zu sein, dass es diese Menschen gibt und vor allen Dingen gerade auch Männer mehr Schwierigkeiten damit haben. Also es gibt ja durchaus Männer, die zu mir in die Beratung kommen, weil sie sagen, ich finde keine Beziehung, ich finde keine Sexualität, also ich habe ja durchaus mit Menschen zu tun, die sagen, ich bin sexuell frustriert, hilf mir mal dabei. Und dann gucken wir uns das Dating-Profil an. Ich habe tatsächlich auch Klienten gehabt, die wirklich die eierlegende Wollmilchsau gesucht haben auf der anderen Seite und selbst aber nicht viel zu bieten hatten. Also damit meine ich gar nicht nur die körperlichen Attribute, was Attraktivität angeht. Aber das fand ich auch bemerkenswert, dass da ein Mensch ist, der vielleicht 200 Kilo wiegt und einfach vom Aussehen her nicht Mel Gibson ist, aber sich eine Michelle Pfeiffer als Gegenpart gewünscht hat, die gleichzeitig total finanziell unabhängig, mit einer total hohen Libido und absolut treu ist. Ja, und also solche Menschen gab es auch und die an die Realität heranzuführen ist sicherlich wertvoll und aber auch klar zu haben, hey, du hast da Einfluss drauf. Also zum Beispiel, du hast ja gesagt, die richtige Person fragen. Also man muss dann halt auch mal fragen und das auch auf eine Weise tun, die angemessen ist, in einem Kontext tun, der angemessen ist. Ja, und dabei kann es ja durchaus Hilfe geben. Wie gesagt, ich begleite Menschen dabei und ich helfe auch zum Beispiel bei dem Phänomen, wenn du als Frau ein Datingprofil online schaltest, egal wie viel da drauf ist, am ersten Taktik zu 400 Nachrichten, wenn du das als Mann tust, musst du trotzdem immer noch nachhaken. Das löst sich also auch durch die sich auflösende Binarität und Auflösung der Rollenverteilung, das löst sich langsam aber sicher auf und es verändert sich, aber es gibt das immer noch. Und es gibt auch ganz häufig, dass eben Frauen, weil sie so viele Anschriften kriegen, ja zum Beispiel einfach gar nicht antworten. Und das trägt ja zu, wie du schon sagtest, das ist ja auch ein Nein und zwar noch ein Gemeines, dass jemand nicht antwortet. Und da Menschen dabei zu unterstützen, ist halt auch wichtig.
Oliver
00:46:20
Ja, ich finde tatsächlich, also ich verstehe das mit den 400 Antworten, dass man dann irgendwann, oh nee, da will ich jeden Einzelnen haben. Und aber ich finde auch, dass nicht antworten auch gemeiner noch eigentlich als, also ich würde niemanden deswegen verurteilen wie gesagt, aber es ist unangenehmer, weil man weiß nicht kommt da jetzt noch was oder, fällt das jetzt ganz runter kommt morgen was und ich will ja nicht gleich noch mal eine Mail, eine Nachricht schicken dann stehen nachher fünf Nachrichten und dann bin ich nervig noch mehr, als ich eigentlich will. Das ist schon, genau, das ist schon wie, also ich habe tatsächlich Online-Dating eigentlich komplett aufgegeben, muss ich sagen. Ich treffe jetzt lieber Menschen in Echte, also auf verschiedenen Events oder so.
Sonja Jüngling
00:47:19
Hast du Tipps, wie man Menschen treffen kann, mit denen man Sex haben kann?
Oliver
00:47:23
Also ich würde von der Idee Abstand nehmen, unbedingt Sex haben zu müssen, bei Menschen treffen. Was ich auch immer schon gehört habe, aber auch immer schwierig zu glauben. Allgemein würde ich eher versuchen, mich in Kontexten zu bewegen, die gemischt geschlechtlich sind.
Sonja Jüngling
00:47:44
Zumindest wenn man heterosexuell ist.
Oliver
00:47:47
Ja, genau. Also schon die sich in Kontexten bewegen, die das Geschlecht, auf das man steht, mit beinhalten. Aber dann auch Sachen suchen, wo ich selber auch ohne den sexuellen Aspekt Spaß dran habe. Ja, genau. Und generell habe ich auch die Wahrnehmung, dass man dann selber am attraktivsten ist, wenn man sich begeistern kann für etwas.
Sonja Jüngling
00:48:17
Ja, ganz wichtiger Punkt. Unterstreiche ich auch total. Ich würde gerne noch zwei Sachen ergänzen. Nämlich einmal, ich habe gerade gesagt, ein 200-Kilo-Mann hat nicht bemerkt, dass er... Ich will damit nicht sagen, dass Menschen, die 200 Kilo wiegen, nicht unglaublich attraktiv sind. Aber ich hatte tatsächlich einen Mann, der mir am Telefon sagt, er sei massivst übergewichtig. Und es sei ihm aber sehr wichtig, dass er eine Frau findet, die sehr schlank ist. Und das sind so Sachen, das in die Realität zu rücken. Das war mir in dem Fall einfach total wichtig. Und dann wollte ich noch zu dem Nicht-Antworten sagen, also ich hatte es in der Dating-Folge schon, Also ja, es gibt Frauen, die antworten einfach nicht, weil sie überfordert sind oder weil sie einfach ein Arsch sind. Auch Frauen können Arsche sein. Aber ich muss auch dabei sagen, ich erlebe es im Alltag immer wieder und in der Beratung und im privaten Umfeld, dass die Frauen in ihr Datingprofil reinschreiben. Du antworte nur, wenn. Blablabla, wenn das bei dir nicht zutrifft, brauche ich im ersten Anschreiben einen Grund, warum du mir überhaupt schreibst. Und es ist so oft so, dass es nicht matcht, dass die Männer das Profil nicht bis zum Ende lesen und nicht lesen, dass da... Ich verstehe das auch. Wenn du so viele Anschreiben machen musst, um überhaupt ein bisschen was zu kriegen, dann hast du keine Zeit, dich mit jeder Frau so und so lange zu beschäftigen. Aber manchmal ist die Antwort auch wirklich, weil da steht, ich schreibe keine Menschen an, die kein Foto drin haben, aus den und den Gründen. Und wenn mich dann jemand anschreibt, der kein Foto drin hat und das nicht im ersten Anschreiben thematisiert, also ich antworte immer. Das mache ich einfach so, weil es ist mir wichtig. Und wenn es nur ein Nein-Danke ist, eben genau deswegen, weil ich so Unsicherheit auch nicht leiden kann. Aber ich kann auch die Frauen verstehen, die sagen, Alter, es steht im ersten Satz. Kein Foto, keine Antwort. Also, wenn du trotzdem schreibst, dann schick mir wenigstens ein Foto mit und zwar kein Dicke. Und da muss ich einfach auch ganz klar sagen, manchmal beschweren sich die Leute auch wirklich zu Unrecht. Aber du hast natürlich recht und ich finde das auch wichtig vom Online-Daten wegkommen. Also es ist einfach im Online-Dating schwierig, weil dann hast du alle Punkte angeklickt, die du brauchtest, die Neigung passt, all das und dann stehst du vor dem Menschen und denkst, oder man versteht sich total gut, aber es gibt überhaupt keinen sexuellen Vibe. Ja, und oder keine Ahnung, es gibt dann halt nur einen einseitigen Vibe. Ja, und wenn du den Leuten halt persönlich begegnest, hast du einfach eine viel größere Chance, das abzuklären. Aber da gibt es dann halt die Möglichkeit, du weißt nicht, ist die Person mono, ist die Person hetero, ist die überhaupt offen für Sexualität, weil in manchen Kontexten ist nach Sexfragen dann halt auch nicht so günstig. Es hat alles seine Vor- und Nachteile, aber ich muss sagen, dass ich mittlerweile auch die Erfahrung habe, dass im persönlichen Kontext Menschen zu treffen, sehr viel erfolgreicher ist und, Wenn ich in der Beratung gefragt werde, wie soll ich es dann machen, wenn ich keine solchen Kontakte habe, da ist meine Erfahrung tatsächlich auf Events gehen, wo die Leute sich rumtreiben, die offen für Dating sind. Also ich kann so Dating-Plattformen wie Joy, Fem, was auch immer es da alles gibt, C-Date und so, kann ich ja nutzen, um zu sehen, wo gibt es solche Events, wo gibt es vielleicht, es gibt ja tatsächlich wirklich Speed-Dating-Geschichten oder wo kann ich auf eine Kinky, auf eine Poly-Party, auf eine Dance-Party gehen, wo Menschen rumlaufen, die gerne die Bock auf Sex haben. Oder wo kann ich sechs positive Events finden und dann dorthin gehen und dann dort echte Menschen treffen. Da habe ich eine viel höhere Wahrscheinlichkeit. Ja, das sehe ich auch so. Naja, und Poly-Stammtische, also klar, das sind keine Dating-Plattformen, aber da habe ich halt auch einen Zugang zu Menschen mit Polio. Leider gibt es sowas nicht für Monos. Also, sollte eigentlich soweit kommen, dass man sagt, und wir haben einen Stammtisch, wie kann ich besser Mono leben? Wie kann ich mich darüber austauschen, eine gute Mono-Beziehung zu haben? Da gäbe es dann auch, das ist das, was du sagst. Gemischt geschlechtlich, nicht im Arbeitskontext, Kontext, das sind halt genau die Boxen, die man anticken müsste, um Menschen zu treffen, wo es potenziell die Wahrscheinlichkeit gibt, dass was zustande kommen kann. Sowohl Beziehung als auch Sexualität.
Oliver
00:52:12
Ich hätte noch eine Ergänzung, aber das ist jetzt mehr mein persönlicher Eindruck bei mir, weil ich glaube, dass ich, wenn ich, also ich bin ja hetero und ich glaube, wenn ich irgendwie bi-offen oder homosexuell gewesen wäre, dann hätte ich in meinem Leben mehr Sexualität erlebt.
Sonja Jüngling
00:52:33
Was glaubst du, woran das liegt?
Oliver
00:52:35
Ich glaube, eines der Hauptgründe ist, dass ich Schwierigkeiten habe, mir, also immer noch ein bisschen Schwierigkeiten habe, mir vorzustellen, was an einem, ich sag mal, biologisch männlichen Körper attraktiv ist und dass ich dadurch schwieriger darauf eingehen kann, was vielleicht ein weibliches Gegenüber an mir attraktiv finden könnte und dass ich da Schwierigkeiten habe, das herauszustellen.
Sonja Jüngling
00:52:59
Ah, in dem Blickewinkel habe ich das noch gar nicht gesehen. Also du meinst, dadurch, dass du nicht weißt, was an männlich gelesenen Personen attraktiv erscheint, kannst du diese Attribute an dir auch nicht hervorheben. Ja, könnte sein. Naja, und wenn alle Incels schwul wären, also ich mein, hätte halt schon auch Vorteile.
Oliver
00:53:19
Ich weiß nicht, ob sie dann, also das wäre interessant zu sehen, ob dann überhaupt diese... Diese Feindschaft entstehen würde. Weil die würde sich ja im Prinzip dann gegen sich selbst richten.
Sonja Jüngling
00:53:31
Muss ich sagen. Also es fällt mir schwer… also wenn jemand so eine extreme Art zu leben sich aussucht, da muss es einfach einen riesen Leidensdruck geben und ich habe einfach totales Mitgefühl damit, dass es überhaupt Gesellschaften gibt, wo das passiert. Also am Ende ist es ja so, warum können Incels Incels werden? Weil sie keine Gemeinschaft, keine Solidarität, keine Menschenliebe, keine guten Werte erlebt haben. Und das tut mir einfach furchtbar leid. Wir haben am Anfang, also im Vorgespräch noch darüber gesprochen, was für Wege könnte es geben, die, also ich habe mir das aufgeschrieben, das ist ein bisschen plakativ, aber die guten sexuell Frustrierten zu begleiten und ihnen gute Gefühle zu geben und sie dabei ein bisschen zu unterstützen, aus diesem Frust rauszukommen und eben ihren Werten weiter folgen zu können. Und also erstmal ist mir, also ich hoffe, dass wir mit diesem Podcast ein bisschen dazu beitragen. Und ich glaube, was mir an der Stelle noch wichtig wäre, ist das Alter zu erwähnen. Weil ich eigentlich schon, ich bin ja 49, also schon ungefähr in deiner Ecke. Und wenn ich so auf mein Leben zurückgucke und gucke, welche Attribute für mich waren die wertvoll. Und da würde ich schon sagen, je jünger ich war, desto wichtiger war mir eigentlich das Aussehen. Also nicht meins, sondern desto mehr Raum hat das in meinem Denken, was auch Attraktivität, Beziehungen und so weiter angeht. Raum eingenommen. Ich habe auch so ein bisschen den Eindruck gehabt, dass ich... Also, dass es viele Personen gibt, die erst so im Alter von 25, 30 überhaupt sehen oder sich selber eingestehen können, was sie an anderen Personen attraktiv finden und was wichtig ist und was nicht wichtig ist. Also, um zwar ganz plakativ zu sagen, wenn ich 15 bin, dann ist mir vielleicht wichtig, dass mein Freund ein cooler ist, mit dem ich in Eisdiele gehen kann und alle finden das toll, dass ich mit dem zusammen bin. Und wenn ich aber 25 bin, dann ist mir wichtiger, dass der mich gut behandelt. Und also was ich den Menschen sagen möchte, die jetzt vielleicht zuhören und selber ein bisschen sexuell frustriert sind, ist, das Alter macht es besser. Also meiner Erfahrung nach, ich bin selbstbewusster geworden, ich kann mehr danach fragen und mir sind so Sachen wie, ob die Person ein paar Kilo zu viel hat oder sich uncool kleidet oder eine blöde Frisur hat, die sind mir einfach weniger wichtig geworden. Und ich könnte mir einfach vorstellen, dass ein Weg mit sexueller Frustration umzugehen auch ist zu sagen, ja okay, bis jetzt war ich sexuell frustriert, aber also ich meine, ich glaube, dass es wichtig sein kann, auch außerhalb seiner eigenen Altersgruppe mal zu schauen oder außerhalb seiner eigenen Peergruppe mal zu schauen, ob es Menschen gibt, die vielleicht Interesse an einer sexuellen Verbindung haben. Und dann das auch im Kopf zu behalten, dass ältere Menschen offener und oft offener und oft selbstsicherer sind und sich eher darauf einlassen. Und die Frage, die du gestellt hast, wüsstest du jemanden, der mit mir Sex haben wollen würde? Ich finde, das ist eine total gute Frage. Und ich glaube auch, dass wenn mir Menschen die stellen würden, dass ich da durchaus Ideen zu hätte. Ich finde auch wichtig, klar zu haben, wenn ein Mensch sexuell frustriert ist, gehe ich eigentlich wirklich los, um Sex zu haben oder gehe ich los, um eine Beziehung zu haben? Und da auch ehrlich mit zu sein, was die Intention angeht. Weil es gibt Männer, die täuschen, vor eine Beziehung haben zu wollen, um Sex zu haben. Und es gibt Männer, die wollen eine Beziehung haben, gehen aber nur auf den Sex ein. Also ich finde da eine Transparenz auch total wichtig auf beiden Seiten. Ich glaube, das ist mir doch mal wichtig, das zu sagen, dass du losgehst, wenn du sexuell frustriert bist und dir Unterstützung holst. Weil es gibt Menschen, die wollen helfen. Es gibt Menschen, die sind genauso sexuell frustriert. Ich war ja auch, es gab in meinem Leben auch Zeiten, wo ich solo und sexuell frustriert war.
Oliver
00:57:30
Ja, im Prinzip, also wenn man nicht so das Glück hat, direkt eine Freundin oder einen Freund zu haben, dann fangen, glaube ich, alle so an. Insofern ist das schon ein universelles Problem.
Sonja Jüngling
00:57:43
Und ich persönlich bin ja sowieso der Meinung, mehr Sex geht ja eigentlich immer.
Oliver
00:57:48
Okay.
Sonja Jüngling
00:57:49
Wusste ich für jeden so gelten, aber... Gibt es noch irgendwas, was du gerne ergänzen möchtest? Gibt es noch irgendwas, worüber wir heute nicht gesprochen haben, was dir aber wichtig wäre zu dem Thema Exit-Incel, menschlich bleiben trotz sexueller Frustration?
Oliver
00:58:07
Ja, vielleicht noch in Kleinigkeit, so aus meiner eigenen Erfahrung, Biografie. Ich würde tatsächlich sagen, ich hatte für mein Alter, also das war ja dann so um 1980 rum, also da hatte ich eine Lehrerin, die hatte mir glaube ich so die beste sexuelle Aufklärung gegeben, die es zu diesem Zeitpunkt gab. Ich sage mal, die fortschrittlichste. Ich glaube, wenn ich die jetzt gar auch nicht gehabt hätte, wenn mir das auch gefehlt hätte, dann wäre auch meine Frustration noch viel schlimmer gewesen.
Sonja Jüngling
00:58:48
Was hat dir gesagt, was dir so ein bisschen geholfen hat?
Oliver
00:58:52
Ne, also es ist eine nicht spezielle Aussage oder so, aber einfach mein Plädoyer quasi, das wird, denke ich, auf jeden Fall helfen dabei, dass diese Incelbewegung nicht zu sehr deutlich ausbreitet. Und dass wir das beibehalten, eine gute sexuelle Aufklärung wahrscheinlich am einfachsten in der Schule zu haben und dass sich da die Informationen auch verbreiten. Also, dass wir alle wissen, was wir tun, wenn wir uns in sexuelle Kontexte begeben.
Sonja Jüngling
00:59:27
Ja, das ist ein wichtiger Punkt, zumal ich finde, da gehört auch mit dazu, eben im Kopf zu haben, ich mache das ein bisschen plakativ, aber anständig zu fragen. Also, wenn ich auf eine, Ich weiß kein anderes Wort als anständig, aber wenn ich auf eine vernünftige, wertschätzende Weise gefragt werde, dann freue ich mich über das Kompliment und finde es nicht eklig oder doof. Und dann kann das durchaus eine schöne Begegnung sein. Und da dann auch wirklich mal zu gucken, weiß ich nicht, wenn das Gegenüber sagen würde, ich habe total Lust auf eine sexuelle Erfahrung, wärest du dafür offen? Und wenn die andere Person dann Nein sagt, zu sagen, gibt es da Verhandlungsspielraum? Also ich könnte auch jetzt einfach nur ein bisschen knutschen. Hast du Bock auf ein bisschen zu knutschen oder sowas? Und es gibt durchaus Menschen, wo ich sage, naja, das kann ich mir da mit diesen Menschen nicht vorstellen, aber das stelle ich mir total schön vor. Eine Massage zum Beispiel. Und da eine gewisse Offenheit zu haben, aber auch ein Gefühl dafür zu entwickeln, in welchem Kontext ist denn wertschätzendes Fragen überhaupt möglich? Also auf der Arbeit möchte ich so eine Frage nicht haben. Also da muss es schon eine gewisse Ebene und eine gewisse Intimität geben, bis ich diese Frage als positiv bewerte. Es sei denn natürlich, ich bin in so einem Baggerschuppen, wo halt klar ist, dass eben sexuelle Avancen okay sind, dann freue ich mich über eine anständige Anfrage, auch wenn die ohne vorherige intime Bindung da ist. Aber auf der Arbeit oder in anderen Kontexten, also da möchte ich nicht von jemandem, wo es keine Berührungspunkte bisher gab, einfach so überrascht werden mit so einer Anfrage. Ja, ich finde es total okay, wenn ich merke, da gibt es ein Kribbeln, auch wenn man da vorher nicht drüber geredet hat, man sieht sich vielleicht im Raum oder so und man nähert sich vorsichtig an und dann gibt es auch Körpersignale, die gelesen werden können, dann finde ich das auch okay. Aber ich finde, dass zu dieser sexuellen Aufklärung, von der du gesprochen hast, eben auch dazu gehört, es geht nicht nur um den reinen Akt, sondern es geht auch darum, es gibt ja ein Davor und Danach. Ja, wie gehe ich mit dem Menschen würdevoll um? Ja, und das ist ja das, wo es bei den meisten Frauen ganz schlimme Erfahrungen gibt, dass die eben nicht würdevoll gefragt werden. Und wie das geht, also da können wir alle bei unseren Kindern oder bei den Kindern unserer Bekannten mithelfen oder Freunde, weil tatsächlich ist es ja so, meine Kinder reden mit mir auch nicht über Sexualität. Aber ich habe die beste Freundin meiner Tochter, die fragt mich durchaus solche Sachen. Und da dann auch wirklich darauf zu gucken, dass ich nicht nur auf den sexuellen Akt gucke, sondern auch, wie kannst du das ordentlich rüberbringen? Wie kannst du das wertschätzen? Worauf sollst du achten? Und das gehört auch eigentlich zu einer sexuellen Aufklärung dazu.
Oliver
01:02:04
Ja, so weit war man 1980 noch nicht. Leider, ja, das sehe ich auch so. Da hätte man mehr noch machen können. Aber da war man erstmal darüber zu übergangen, überhaupt drüber zu reden. Das war schon wichtig an dem Punkt.
Sonja Jüngling
01:02:22
Und ich finde, die Enttabuisierung ist auch einfach ein ganz wichtiger Punkt. Also wenn jedes Mal, wenn das Thema Sex auf den Tisch kommt, alle anfangen zu gibbeln und einen hochroten Kopf kriegen, dann kann ich nicht darüber reden, wie ätzend das ist, dass ich seit zwei Jahren eigentlich ein Jungfern werden möchte und ich einfach keinen finde. Wie soll ich dann darüber reden können? Also da können wir als Gesellschaft einfach noch mehr daran arbeiten, Sex zu enttabuisieren. Es sollte nicht immer und überall eine Rolle spielen. Es gibt eben auch Menschen, die sich davon gestört fühlen. Aber einen neutralen Umgang damit zu finden, ist schon wichtig, finde ich. Auch in der Incel-Vorsorge.
Oliver
01:02:58
Weil es eben auch jetzt Parteien gibt und Strömungen, die gerne irgendwie die ganze sexuelle Aufklärung zurückdrehen wollen. Und nee, keine gute Idee. Bitte mach lieber mehr davon als zu wenig.
Sonja Jüngling
01:03:15
Tatsächlich ist es, also das kann ich nicht oft genug sagen, tatsächlich ist es ja so, dass je mehr wir über Sex reden, je mehr erlaubt ist, desto sicherer wird das Ganze. Also wenn wir auch schon alleine zum Beispiel, ach das ist die letzte Frage, ich noch stellen mir gleich, wenn wir zum Beispiel auf das Thema Sexarbeit gucken. Es gibt immer wieder Leute, die sagen, die müssen das verbieten, um die Sexarbeitenden zu schützen. Nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Hunderte von Studien haben gezeigt, dass es wichtig ist, das zu erlauben, damit es für die Sexarbeitenden sicher ist, damit es keine sexuelle Ausbeute gibt. Und was das Thema Sexualität angeht, ist es genauso. Wenn es tabuisiert ist, dann trauen sich Menschen, die sexuelle Übergriffe erlebt haben, nicht mehr darüber zu reden, sondern eben weniger. Das ist ganz wichtig. So, letzte Frage habe ich vorhin vergessen. Wäre Sexarbeit für dich eine Option gewesen?
Oliver
01:04:02
Tatsächlich war ich immer so ein bisschen selber dran. Ist das was oder nicht? Ich hatte auch schon sogar erste Kontakte aufgenommen zu so einem Escort-Service. Der kam aber irgendwie dann nicht zustande, weil irgendwie andere Dinge in meinem Leben passiert sind, die mich irgendwie in eine andere Richtung gebracht haben. Und vielleicht auch das Thema Poly, was dann plötzlich aufkam. Ich glaube, wenn ich da was versucht hätte, hätte es mir vielleicht dieses Idealisieren früher weggenommen und mich da irgendwie besser eingependelt. Ich glaube aber nicht, dass ich in der Sexarbeit das gefunden hätte, was ich gesucht habe. Aber tatsächlich, ich habe auch jetzt das Buch gelesen von der Undine.
Sonja Jüngling
01:04:54
Mhm.
Oliver
01:04:55
Die kennst du auch, ja.
Sonja Jüngling
01:04:57
Undine ist eine Hypnotherapeutin oder eine Person, die Hypnose-Files und Umgang mit Hypnose anbietet im professionellen Bereich, genau.
Oliver
01:05:07
Und Sexarbeiterin und die sich...
Sonja Jüngling
01:05:10
Genau, Hypnose im sexuellen Kontext, Entschuldigung, das habe ich ganz vergessen zu sagen. Ja, genau.
Oliver
01:05:14
Genau, und Sexarbeiterin und die sich wohl auch für die Rechte sehr eingesetzt hat. Genau, die hat ein Buch geschrieben und das fand ich richtig gut, weil sie, weil könnte sie die Befürchtung haben, das wäre irgendwie Werbung für Sexarbeit. Tatsächlich ist es aber ein sehr, sehr realistisches Bild und zeigt eben auch die bisschen Schattenseiten und warum tatsächlich, wie du sagtest, ein Verbot tatsächlich noch zu Verschlimmerung der Situation führen würde.
Sonja Jüngling
01:05:42
Ja, an ganz vielen Stellen. Ich werbe sehr gerne für Sexarbeit und auch für Kuscheltherapeutis und so weiter, weil Körperkontakt und Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Also vielleicht kann ich ohne Sexualität oder ohne zwischenmenschliche Sexualität lange klarkommen, weil ich kann ja auch immer noch Solosex haben, aber die körperliche Berührung durch andere Menschen und mit anderen Menschen ist ein körperliches Grundbedürfnis. Und ich möchte Werbung machen für Sexarbeit, ich möchte Werbung machen für Kuscheltherapeutis, ich möchte Werbung machen für Enttablisierung von Sexualität, weil Körperkontakt ist ein Grundbedürfnis und es ist wichtig und es sollte mehr geben.
Oliver
01:06:21
Genau, achso ja, ich bin auch ein großer Freund von sowas, die Kuschelpartys und da war ich auch schon öfter mal in Köln dabei und das ist tatsächlich auch, also finde ich sehr angenehm. Es ist ja tatsächlich so, dass da Sex ausgeschlossen ist komplett, aber es hat schon hilfreiche Wirkung, um überhaupt Körperkontakt zu spüren und das zu erleben.
Sonja Jüngling
01:06:52
Voll. Es gibt dort ja einfach eine ganz bestimmte Form von Intimität. Also ich finde es gut, dass da Sexualität untersagt ist und dass es da einfach Räume gibt, wo man ganz klar sagt, hier ist Körperkontakt okay, aber Sex nicht. Weil nur so können die Menschen sich sicher fühlen. Und es gibt aber trotzdem ja eine gewisse Form von Intimität und auch den Verlust im Idealfall von Angst vor als unattraktiv eingestuften Menschen. Also gerade dieser Mensch, von dem ich vorhin gesprochen habe, der sich selbst als unattraktiv einstuft, aber anderen Menschen, also nur Kontakt zu jemandem will, der absolut attraktiv ist. Auch solchen Menschen kann dadurch geholfen werden, zu sehen, hey, nur weil die Frau ein paar Kilo zu viel hat, also fühlt sich meistens doch ganz schön cool an. Probier es mal aus. Ja, also einfach die generelle Angst vor Berührung und vor mich zeigen, also dann da zu sitzen und im Sitzen wirbt sich der Bauch oder was auch immer. Also Kuschelpartys finde ich wahnsinnig wertvoll und ich habe auch schon Klientinnen dabei begleitet, die eben über Kuschelpartys ein ganz anderes Körpergefühl gefunden haben und dadurch sexuell attraktiver für andere Menschen geworden sind, weil sie eben nicht mehr gedacht haben, ich bin eklig anzufassen. Das ist ja ganz oft bei vielen Menschen der Fall, sondern gemerkt haben, hey, bei Kuschelpartys kommen gerne Leute zu mir und ich kuschel gerne und habe Erfolgserlebnisse und dadurch werden sie attraktiver im sexuellen Kontext. Genau. Und ich glaube, das ist ein schönes Schlusswort. Attraktivität kommt nämlich aus dem Innen und da können ganz viele Menschen daran arbeiten und ich hoffe auch, gesellschaftlich arbeiten wir daran. Mehr Netzwerke, mehr Gemeinschaft, mehr Solidarität. Oliver, vielen Dank, dass du da warst bei diesem spannenden Thema, dass wir darüber gesprochen haben und dass du geholfen hast, das in die Sichtbarkeit zu bringen. Möchtest du zum Schluss noch was sagen, irgendwas mitgeben, aufmunternde Worte? Hast du irgendwas, wo du sagst, das möchte ich gerne noch loswerden? Ich weiß, die meisten Leute überfordere ich damit zum Schluss, weil sie sich das vorher nicht überlegt haben. Und es ist vollkommen okay zu sagen, nee, habe ich nicht.
Oliver
01:08:42
Ich danke dir auf jeden Fall für die Gelegenheit und ja, ich hoffe auch, dass wir vielleicht so ein paar Millimeter die Gesellschaft etwas in eine liebevollere Richtung wenden können.
Sonja Jüngling
01:08:56
Ja, das wäre total schön. Vielen, vielen Dank, dass du da warst.
Oliver
01:09:00
Gerne.
Sonja Jüngling
01:09:00
Du, liebe hörende Person, darfst gerne ein bisschen Feedback loswerden. Wenn du Kontakt zu Oliver möchtest, bin ich mir relativ sicher, dass er offen dafür wäre, dann schreib uns gerne an. Und wie immer zum Schluss noch ein Aufruf zu mehr Sichtbarkeit für alternative Beziehungsformen. Wir haben im März, das tobt gerade den Tag der offenen Beziehungstür und den gibt es am 28.02.2026 nochmal. Das ist ein hoffentlich niederschwelliges Online-Angebot umsonst. Und da findest du auf einer Internetseite, die wir natürlich verlinken, auch schon Infos fürs nächste Jahr. Und da kannst du Kontakt haben zu Menschen, die im nicht monogamen Kontext leben und hilfst dabei, dann noch mehr das in die Sichtbarkeit zu bringen. Und jetzt wünsche ich dir einen fantastischen Tag und dir auch, Oliver. Bis dann.
Oliver
01:09:43
Bis dann, ja.
Sonja Jüngling
01:09:44
Tschüss. Schön, dass du bei der heutigen Folge dabei warst. Wir freuen uns, wenn du etwas Wertvolles mitnehmen konntest. Vielleicht magst du es dir kurz notieren? Was hat dich bewegt? Gab es einen Aha-Moment? Möchtest du etwas vom Gesagten umsetzen? Möchtest du uns dazu etwas mitteilen? Dann schreib uns unter podcast@sonjajuengling.de, oder auf Instagram @mopoco_podcast. Wir sind total dankbar, wenn du uns Hinweise oder Tipps gibst, die den Podcast verbessern oder meine Arbeit ergänzen können. Und wir sind dankbar, wenn du uns unterstützt, finanziell oder ganz praktisch und wenn du uns weiterempfiehlst. Alle Infos dazu findest du unter mono-poly-co.letscast.fm Und wir freuen uns, wenn du ganz viel Wohlwollen in die Welt und in dein Herz trägst. Denn jede Person darf fühlen, was sie fühlt und hat gute Gründe für alles, was sie tut. Also begegne jeder Person mit Wohlwollen, auch ganz besonders dir. Lass uns die Welt liebevoller und verständnisvoller machen.

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