Mono, Poly & Co

Dein Wissens-Podcast rund um Beziehungsgestaltung

#112 - Interview mit Fux Wolf

BDSM und Psychotherapie

30.11.2025 52 min

Zusammenfassung & Show Notes

BDSM und Therapie: Interview mit Dr. Gisela Fuchs‑Wolf über kink‑freundlich vs. kink‑kompetent, Intersektionalität und Wege zur Kostenerstattung.

In dieser Folge spricht Sonja mit Dipl.-Psych. Dr. Gisela Fuchs‑Wolf darüber, wie BDSM/Kink und Psychotherapie gut zusammenfinden. Es geht um Entpathologisierung (ICD‑11), intersektionale Perspektiven in der Praxis, den Unterschied zwischen kink‑freundlich und kink‑kompetent – und sehr konkrete Wege, wie du einen passenden Therapieplatz findest, inkl. Kostenerstattung und Netzwerken.

📌 Themen dieser Folge
  • Grundbegriffe: BDSM/Kink ist keine Diagnose (ICD‑11) – wofür diese Folge gedacht ist
  • Fuchs’ Ansatz: verhaltenstherapeutisch, integrativ, intersektional – kritisch gegenüber pathologisierenden Traditionen
  • Intersektionalität nach Crenshaw: soziale Positionierungen mitdenken, glaubwürdig zuhören
  • Großstadtvorteile, Community und interne Marginalisierungen in der Szene; Forschungslücken
  • Das Buch als Ressource für Fachkräfte: Mindestwissen, übersetzte Guidelines, Handlungsempfehlungen
  • Kink‑freundlich vs. kink‑kompetent: Grenzen kennen, transparent kommunizieren, ggf. weitervermitteln
  • Netzwerke, Supervision/Intervision und rechtliche Hürden durch Schweigepflicht
  • Regionale/überregionale Vernetzung: Berlin, Fachverbände, Listen, Beratungsstellen
  • Kostenerstattung nach §13.3 SGB V: Anspruch, Hürden, Unterstützung
  • Berliner Praxisbeispiel: organisierte Kostenerstattungs‑Netzwerke, Sprechstunden, Dringlichkeitsnachweise
  • Umgang mit renitenten Kassen: Anspruch kennen, selbstbewusst durchsetzen
  • Konkrete Tipps für Therapiesuchende: queere Beratungsstellen, Community, Listen/Verbände, Workshops
  • Früh klären: Respekt vs. Kompetenz – Bindungen nicht unnötig schmerzhaft werden lassen
  • Abschluss: Buch lesen, Wege zur Versorgung nutzen, Ressourcen gemeinsam sammeln
💡 Das Wichtigste in Kürze
  • BDSM/Kink ist nicht pathologisch – Respekt ist Basis, Kompetenz kommt oben drauf.
  • Intersektional denken: Symptome sind nicht nur individuell, Kontext zählt.
  • Kink‑freundlich ≠ kink‑kompetent: früh abklären, ggf. rasch wechseln.
  • Kostenerstattung (§13.3 SGB V) ist ein Rechtsanspruch – Umsetzung braucht Wissen und Rückenwind.
  • Nutze Community, queere Beratungsstellen und Fachlisten – Vernetzung öffnet Türen.
  • Therapeutys: Guidelines lesen, eigene Grenzen benennen, weitervermitteln und interprofessionell vernetzen.
🔗 Links & Ressourcen zur Folge
📚 Buchtipps
📣 Aufruf
  • Teilt eure Ressourcen Kennst du regionale Listen, Beratungsstellen oder Netzwerke, die bei kink‑kompetenter Therapie helfen? Teile deine Hinweise mit uns – so stärken wir gemeinsam den Zugang für alle.

Hast du Fragen oder möchtest uns Feedback geben?

Kontakt zu uns:
📧 podcast@sonjajuengling.de
📸 Instagram: @mopoco_podcast
🗣️ Diskussionsgruppe zum Podcast: https://t.me/+qHqB5VYoQSw2NzYy
🌐 Webseite: https://mopoco-podcast.de

💡 Unterstütze uns:
Credits:
Die Musik wurde für uns von NeoKorTechs zusammen gemischt und zur Verfügung gestellt (insta: @neokortechs, Homepage: http://www.christian-janz.de). Vielen lieben Dank!

🎧 Danke fürs Zuhören – lass uns gemeinsam die Welt liebevoller und verständnisvoller machen - für dich, für deine Beziehung, für alle! ❤️

Zu Sonjas Beziehungs-Coaching und Blog-Beiträgen: https://sonjajuengling.de/

Transkript

Gisela Fux Wolf
00:00:00
Weil das ist ein häufiges Problem von marginalisierten KlientInnen, dass sie ihre TherapeutInnen schulen müssen.
Sonja Jüngling
00:00:08
Also ganz konkret heißt das, wenn ich zur Psychotherapie gehe und komme zwar nicht wegen, aber mit einem Kink-Thema und meine Therapeutin sagt dann, wie BDSM, was ist denn das? Und dann erkläre ich das kurz und die meiner Meinung nach gute Reaktion wäre, ah, ich kenne mich damit nicht so gut aus, können wir das Thema für heute an die Seite legen, damit ich bis zum nächsten Mal Zeit habe, mich vorzubereiten und dann in dein Buch gucken.
Gisela Fux Wolf
00:00:30
Genau.
Sonja Jüngling
00:00:31
Und in der Realität sieht es aber eben so aus, dass dann die Menschen anfangen, das ist ja spannend, erzähl doch mal und dass die KlientInnen dann die Arbeit übernehmen müssen, den Profi darüber aufzuklären, mit was das zusammenhängt und das übernimmt dann dein Buch. Hallo und herzlich willkommen bei Monogamie, Polyamorie und Co., dem Wissens-Podcast zum Thema Beziehungen in allen Formen. Üblicherweise findest du hier frei zugänglich, sehr kondensiert und gut recherchiert Wissen, Handlungsmöglichkeiten und die Antwort auf übliche Fragen zu Beziehungen in aller Art. Wir, das ist ein Team aus Menschen, die sich mit den Fragen rund um die Themen Beziehungsqualität und Beziehungsformen beruflich und ehrenamtlich beschäftigen und dabei Wissenschaft, Szene-Insights und persönliche Erfahrungen mit einbeziehen. Mein Name ist Sonja Jüngling, hauptberufliche Paarberaterin und Wissensvermittlerin für Menschen, die über ihre Beziehungsform nachdenken. Uns ist es wichtig, unterschiedliche Lebensentwürfe und Sichtweisen zu zeigen sowie ExpertInnen zu Wort kommen zu lassen. Deshalb gibt es neben den Wissensfolgen und den Folgen aus der Praxis immer mal wieder eine Interviewfolge. Solltest du jemanden kennen, dessen Wortbeitrag du hier wertvoll findest, lass es uns gern wissen, auch wenn es dich selbst betrifft. Wir freuen uns, wenn du dich zeigen magst mit deiner Beziehung, deinen Sorgen und Nöten, aber natürlich auch mit all deinen Erfolgen und Gedanken aus deiner ganz individuellen Beziehungswelt. Und nun viel Spaß mit der heutigen Folge von Mompoko, dem Wissens-Podcast zum Thema Beziehungsvielfalt. Hallo zusammen, ich möchte euch einen kurzen Ausblick geben, über was ich mit Fux gesprochen habe. Wir haben ganz viel über Therapiesuche gesprochen und was Menschen tun können, die Psychotherapie benötigen. Wir haben auch darüber gesprochen, was in dem Buch zu finden ist, das Fuchs geschrieben hat, wo es um das Thema BDSM und Psychotherapie geht. Was ist BDSM? Bond, Dominanz, Submission, Sadomasochismus. Also es geht hier um alles, was irgendwie mit Machtgefälle, Schmerz, Fetisch zu tun hat. BDSM und Kink benutzen wir synonym. Ein Kinkster ist ein Mensch, der BDSM lebt. Und ich glaube, das war es an Definition. Und falls du auf der Suche nach Psychotherapie bist oder vielleicht dich ein bisschen schlecht fühlst, weil du bei dir entdeckt hast, dass du ein Kinkster bist, dann lohnt sich die Folge für dich auf jeden Fall. Denn BDSM ist natürlich nicht krankhaft. Es kann glücklicherweise inzwischen zumindest offiziell nicht mehr diagnostiziert werden. Der ICD-10 ist immer noch leider häufig gelebt. Der ICD-11 ist aber seit Anfang 2022 in Kraft. Genau, dann ist das für dich jedenfalls eine relevante Folge, weil we feel you und wünschen dir ganz viel Erfolg auf deinem Weg dahin glücklich zu sein mit einem Aspekt von Sexualität, der die einfach sehr viel spannender und vielfältiger macht nach meiner Meinung. Und nun viel Spaß mit dem Interview. Hallo zusammen, willkommen zu einer neuen Folge von Mono, Poly & Co. Es gibt heute mal wieder eine Interview-Folge. Ich sitze in Berlin heute. Ich weiß gar nicht, in welchem Stadtteil wir sind. Charlottenburg. Natürlich Charlottenburg, genau. Und ich sitze hier mit Gisela Fuchs-Wolf, einem Psychotherapeuti, Vollzeit, glaube ich, arbeitend. Und Fuchs hat ein Buch geschrieben mit dem Titel BDSM und Psychotherapie. Und wir kennen uns schon relativ lange, weil ich aufgrund von einem Vortag, den Fuchs gehalten hat, die Kink-Friendly Professionals gegründet habe. Eine Seite von Professionals, also von TherapeutInnen, PhysiotherapeutInnen, irgendwann auch JuristInnen, die Menschen beraten, die im Kink-Spektrum, also BDSM und Kink unterwegs sind und Fetisch. Genau, und netterweise hat Fuchs sich bereit erklärt, mir ein paar Fragen zu beantworten, mir ein bisschen darüber zu reden und da freue ich mich sehr. Herzlich willkommen, Fuchs.
Gisela Fux Wolf
00:04:29
Vielen Dank für die Einladung.
Sonja Jüngling
00:04:31
Ja, sehr gerne. Magst du noch was zu deiner Vorstellung ergänzen?
Gisela Fux Wolf
00:04:34
Vielleicht für meine Arbeitsweise. Ich arbeite offiziell verhaltenstherapeutisch, versuche aber auch verschiedene Methoden zu integrieren. Das ist eh relativ typisch in dem Themenfeld, wenn Leute intersektional arbeiten, dass sie sich aus allen Schulen das zusammensuchen, was zu dem intersektionalen Blickwinkel letztendlich passt. Und letztendlich auch die Sachen aussieben, die in den unterschiedlichen therapeutischen Schulen feindselig gegenüber sexueller und Beziehungsvielfalt sind. Da hat jede Schule in der Therapie auch Dreck am Stecken. Und ich bin hier in einer Praxisgemeinschaft. Das heißt, wir versuchen, so eine Gruppe von KollegInnen zusammenzustellen. Wir sind derzeit elf, die alle zu unterschiedlichen marginalisierten Themen arbeiten. Also an der Schnittstelle Hassismus, Umgang mit Queers, traumasensible Psychotherapie und letztendlich auch mit einem sehr gesellschaftskritischen Blick.
Sonja Jüngling
00:05:35
Sehr schön. Für die Menschen, die aufgrund von Privilegiertheit vermutlich den Begriff Intersektionalität nicht zuordnen können, wäre es so gut, deine Sicht davon zu erzählen. Warum arbeitest du intersektional?
Gisela Fux Wolf
00:05:49
Ja, Intersektionalität ist eigentlich die Vorstellung, dass wir alle an unterschiedlichen Positionierungen in dieser Gesellschaft stehen und diese Positionierungen uns unser Leben leichter oder schwerer, entspannter oder stressvoller machen. Die Idee stammt von Kimberle Crenshaw, die Ende der 1990er Jahre sich damit auseinandergesetzt hat, wie das im juristischen Bereich zu gestalten ist. Also welche Erfahrungen man zum Beispiel aufgrund einer rassistischen Positionierung in der Gesellschaft plus einer sexistischen Positionierung macht. Und dass sich letztendlich zum Beispiel die Erfahrungen von Menschen, die Rassismuserfahrungen haben, aber in Bezug auf Gender privilegiert sind, wiederum unterscheiden von Menschen, die aufgrund dieser beiden Merkmale deprivilegiert sind, also noch von Sexismus zusätzlich betroffen sind. Und sie vergleicht das mit einer vielbefahrenen Kreuzung, auf der jede Person ihre individuelle Position hat. Und letztendlich ist charakteristisch für Intersektionalität, dass diese ganz besonders wahrgenommen wird von Menschen, die entsprechend deprivilegiert sind. Also zum Beispiel, was Rassismus eigentlich ist und welchen Arbeitsaufwand es hat, damit umzugehen, erlebt in der Regel die Rassismusbetroffene. Aber die rassismusausübende Person kann entspannt durchs Leben gehen. Und insofern stehen wir ja auch immer vor der Herausforderung, KollegInnen zu vermitteln, die in einer privilegierten Position sind, dass es genau bei dem gleichen Merkmal auch die Positionierung geben kann, wo es anstrengend ist. Also wenn ich jetzt als queer, non-binär positionierte Person mit einer Cis-Head-Kollegin entsprechend spreche, dann erlebt die in diesem Bereich wenig Widerstand, den die Gesellschaft ihr in die Wege stellt. Und wir haben quasi Kommunikationsherausforderungen, dass ich mein Leben erklären muss und letztendlich diesen Widerstand, den ich erlebe, auch spürbar machen möchte. Und es geht darum, dass mein Gegenüber mir glaubt, das hat was zu tun mit Öffnung. Und in diesen ganzen Gemengelagen versuchen wir halt gerade für die Leute eine gute Intersektionalitätssensitive Therapie anzubieten, die mit diesen zahlreichen Widerständen konfrontiert werden und oft von außen mit der Annahme konfrontiert werden, dass die Symptomatiken, die daraus resultieren, vermeintlich das Problem des Individuums sind, was es nicht ist.
Sonja Jüngling
00:08:39
Ja, ich übersetze das mal eben für Menschen, die wirklich mit sowas recht wenig Kontakt haben. Also erstmal Cis-Het bedeutet Cis-geschlechtlich, also dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht einverstanden. Het ist Abkürzung für Hetero, also Männlein-Weiblein, wenn ich das richtig habe. Nix, sehr gut. Eine marginalisierte Gruppe bedeutet eine Gruppe, die eben aufgrund von spezifischen Merkmalen diskriminiert ist. Und ganz konkret heißt das, wenn ich die Erfahrung gemacht habe, zum Beispiel als Frau, dass ich aufgrund meiner Weiblichkeit schlecht behandelt werde, dass ich zum Beispiel häufiger unterbrochen werde als Männer und ich das einem Mann mitteile oder üblicherweise als männlich sozialierten und gelesene Person mitteile, dann breitet die das oft ab. Und das ist genau dieser Widerstand, von dem du gesprochen hast. Und dann ist es an mir, ich muss dann Shoot the Messenger spielen und sagen, naja, aber es gibt Studien dazu, bla bla bla. Und dieser Widerstand, der eben aufgrund von Nichtwissen entsteht, der eben sprachlich sich auch äußert, der ist eine zusätzliche Belastung natürlich für die Menschen. So verstehe ich dich. Ja, und du nix.
Gisela Fux Wolf
00:09:45
Sehr schön.
Sonja Jüngling
00:09:46
Genau. Gut, jetzt waren wir noch bei der Vorstellung. Ich finde es aber voll schön und voll wichtig, dass du darüber sprichst, denn es ist ja so, Berlin ist ja schon ein besonderes Pflaster. Also ich wohne auf dem Land, im Münsterland und Berlin geht einfach mit vielen, also hier gibt es viele Bubbles, die sehr, sehr gut mit marginalisierten Gruppen umgehen und wo einfach die Kultur nochmal geschärft werden kann. Und von Berlin aus kann sie dann eben in den Rest des Landes auch ausgebreitet werden, quasi. Deswegen finde ich es total schön, dass es durch dich dann im Podcast auch sichtbar wird. Obwohl in deinem Buch das ja gar keine so große Rolle spielt, wenn ich das richtig im Kopf habe. Oder?
Gisela Fux Wolf
00:10:24
Was spielt keine so große Rolle?
Sonja Jüngling
00:10:26
Dass ihr mehr auf Vielfalt in Berlin eingeht als im Durchschnitt. Das ist meine Theorie, keine Ahnung, ob das so stimmt. Das spielt in deinem Buch, glaube ich, weniger eine Rolle. sondern in deinem Buch geht es hauptsächlich um BDSM und Psychotherapie.
Gisela Fux Wolf
00:10:39
Ja, guter Punkt. Ich denke, alle, die irgendwo an auch marginalisierten, intersektionalen Schnittstellen stehen, profitieren natürlich von einer Großstadt. Weil jedes Element, was... Wir in uns tragen und was oft biografisch von Scham besetzt wird, Kinky kann eins davon sein, ist schwer zur Sprache zu bringen, ohne Menschen, die ähnlich sind und das spiegeln und erkennen und mit einem Aufatmen und Freundlichkeit auf dieses Element reagieren. Da haben wir eine größere Gewähr in einer Großstadt, dass wir diese Menschen finden und insofern die Barriere, Sachen zu benennen, abgebaut wird durch die Freundlichkeit, die in diesen Bubbles entsteht und damit letztendlich Sachen besser besprechbar werden. Davon habe ich auch in Berlin bezüglich auf das Kinky-Thema extrem profitiert. Es ist aber auch so, und das ist nochmal so ein ganz wichtiger Punkt. In der Kinky-Szene gibt es natürlich auch eine erhebliche Diversität und es gibt auch Marginalisierung. Auch die Kinky-Szene drängt bestimmte Äußerungsformen an den Rand Und das letztendlich zu versuchen zu benennen, ist auch eine Herausforderung, die ich in meinem Buch hatte. Das Problem letztendlich ist aber auch bei sehr marginalisierten Äußerungen, dass wir dazu nur wenig Belegstellen finden. Und das war eine recht große Herausforderung, als ich das Buch geschrieben habe, letztendlich auch für marginalisierte Kinksters Referenzquellen zu finden. Also Leute, die aus ihrer Position bei einem Merkmal, wo ich privilegiert bin, publiziert haben oder zu mir gesprochen haben. Und da muss ich sagen, es ist eine Herausforderung, an der arbeite ich noch. Das ist nur in Teilen gelungen, weil es sehr viel Zeit braucht, bis man diese Quellen letztendlich gefunden hat und daraus ein Netz gebastelt hat, was es auch versprachlicht, wie Menschen aus unterschiedlichen Positionierungen wiederum mit marginalisierten Sexualitäten umgehen. Wir können so ein paar Punkte ansprechen, wo das relevant ist, aber da ist mein Buch nicht perfekt.
Sonja Jüngling
00:13:17
Naja, aber ich könnte mir vorstellen, dass das ganz häufig so ist, dass man ein Buch schreibt und dann, es hat ja einen Abgabetermin und dann gibt es Quellen, die da rein müssen und dann muss noch irgendwie ein Blogsatz geändert werden und so. Und ich glaube, also wenn ich jemals ein Buch schreibe, ich habe das schon vor, aber ich vermute, dass ich nach ein oder zwei Jahren oder wahrscheinlich auch nach ein oder zwei Wochen sage, naja, das hätte man besser machen können. Ich glaube, perfekt wird es nie. Aber was ich mitgenommen habe, ist, dass du eben versuchst, diese Marginalisierung, die BDSMer, Kinkster erleben, auch aufzugreifen und zu versprachlichen. Und ich sehe das so, dass du diese Arbeit durch dieses, hey, anders ist nicht falsch, es ist nur anders, was du ja vermutlich subtextmäßig auch in dem Buch sagst, hilfst du natürlich auch Menschen, die vielleicht nicht Kinkster sind, die aber eben vielleicht auf dem Genderspektrum sind oder die nicht auf dem Heterospektrum sind, Weil eben diese Marginalisierung bewusst gemacht wird. Also insofern, es hilft, diese Parallele ist da und es hilft natürlich trotzdem, auch wenn du es da nicht aufgreifst. Und ehrlich gesagt, wie dick sollte dein Buch dann werden? Intersektionalität und die vielen, vielen marginalisierten Gruppen, das ist ja eine unendliche Arbeit.
Gisela Fux Wolf
00:14:25
Genau, unendlich.
Sonja Jüngling
00:14:27
An wen richtet sich dein Buch?
Gisela Fux Wolf
00:14:30
Also das Buch ist entschieden in einer Buchreihe, an der so eine Gruppe von queer-positionierten KollegInnen schreibt, aus verschiedenen gesundheitsprofessionellen Bereichen. Und wir versuchen jeden Band, eben auch den Kinky-Band, quasi an zwei Perspektiven zu richten. Einmal soll der Band für Gesundheitsprofis sein, die sagen, ich will mich in ein Thema reinarbeiten und habe vielleicht auch noch nicht viel Vorwissen. Also der Band fasst eben auch so Basics zusammen und versucht dann so advanced, also quasi für komplexere Fragestellungen, das dann entsprechend so aufzubauen. Letztendlich mit dem Ziel, dass Profis das lesen können im Gesundheitssystem und ihre KlientInnen nicht zur eigenen Fortbildung benutzen müssen. Weil das ist ein häufiges Problem von marginalisierten KlientInnen, dass sie ihre TherapeutInnen schulen müssen, das eigentlich missbräuchlich ist von Seiten des professionellen Menschen.
Sonja Jüngling
00:15:44
Also ganz konkret heißt das, wenn ich zur Psychotherapie gehe und komme zwar nicht wegen, aber mit einem Kink-Thema und meine Therapeutin sagt dann, wie BDSM, was ist denn das? Und dann erkläre ich das kurz und die... Meiner Meinung nach gute Reaktion wäre, ich kenne mich damit nicht so gut aus, können wir das Thema für heute an die Seite legen, damit ich bis zum nächsten Mal Zeit habe, mich vorzubereiten und dann in dein Buch gucken.
Gisela Fux Wolf
00:16:07
Genau, genau.
Sonja Jüngling
00:16:08
Und in der Realität sieht es aber eben so aus, dass dann die Menschen anfangen, das ist ja spannend, erzähl doch mal und dass die KlientInnen dann die Arbeit übernehmen müssen, den Profi darüber aufzuklären, mit was das zusammenhängt und das übernimmt dann dein Buch.
Gisela Fux Wolf
00:16:21
Genau. Insofern soll das Buch eben auch, wie die anderen Bücher auch in dieser Reihe, dem Empowerment von behandlungssuchenden Personen dienen und überhaupt Kinksters. Und genau das ist die Situation, die Therapieperson sagt, keine Ahnung, aber ich bin nett. Die Klientenperson sagt, Mein Bauchgefühl sagt, das ist eine Person, der ich mich theoretisch öffnen könnte, aber in Bezug auf Kink-kompetentes Wissen ist noch Luft nach oben. Dann kann die Klienten Person verweisen natürlich auf mein Buch oder andere Quellen und es gibt auch Kink-spezifische Guidelines, die ich in dem Buch auch übertragen habe ins Deutsche. Das heißt, das ist das, was PsychotherapeutInnen mindestens lesen sollten, wenn sie in diesem Themenfeld arbeiten und auch ärztliche KollegInnen. Das Gesundheitssystem baut auf Guidelines und eine sehr kink-erfahrene Profigruppe hat sich die Mühe gemacht, diese Guidelines auch für kinky Lebensweisen zu formulieren. Das wäre also das, wo die gesundheitsprofessionelle Person reingucken sollte.
Sonja Jüngling
00:17:32
Ja, und das ist auch ganz wichtig, weil natürlich gibt es auch unter Kinkston, also auch unter Menschen, die BDSM praktizieren, Menschen, die das missbräuchlich tun und die das auf eine gesundheitlich nicht förderliche Weise tun. Das sind nicht viele, aber es sind welche dabei. Und die Therapieperson sollte auf jeden Fall so weit gebildet sein, dass sie eine Idee davon hat, an welcher Stelle das vielleicht eine zu hinterfragende Praxis nicht generell ist, aber da kann man ja zum Beispiel an der Consentfront noch ein bisschen arbeiten oder so. Es ist wichtig, dass eine Person sich dann in das Thema einarbeitet, wenn im Zusammenhang mit BDSM Probleme auftauchen und sie sich eben auch traut, das zu hinterfragen und nicht aus lauter Angst jemanden zu diskriminieren, gar nicht erst da reinguckt. Das habe ich nämlich auch schon gehabt, dass eine Person bei mir Supervision gesucht hat, weil sie sagt, ich habe das Gefühl, die benutzen das falsch. Ich habe nichts gegen Kink, aber ich traue mich gar nicht, das zu sagen, weil ich Angst habe, die andere Person zu diskriminieren. Ja, aber dafür braucht es eben ein gewisses Wissen. Was ist eigentlich Kink? Welche Studien gibt es? Die hast du mir ja auch beigebracht, dass BDSM nicht krankhaft ist. Wir wissen, dass es mittlerweile seit 2022 auch nicht mehr als Diagnose gestellt werden kann, dass Kinks dann nicht weniger glücklich sind und so weiter. Ja, das braucht die therapierende Person dann natürlich auch. Und deswegen ist es wichtig, dass die therapierende Person nicht sagt, ach, hier spielt das keine Rolle, deswegen informiere ich mich auch nicht, sondern dass sie eben den Willen hat, so wie du gerade sagtest, ich bin nett, ich informiere mich. Und dafür ist dein Buch dann gut. Auch sinnvoll und kann dann von der therapierenden Person auch gelesen werden.
Gisela Fux Wolf
00:19:07
Genau.
Sonja Jüngling
00:19:08
Wo es auch Quellen drin gibt vermutlich.
Gisela Fux Wolf
00:19:10
Ja, also das ist mir ein ganz wichtiger Punkt und danke für die Zusammenfassung. BDSM ist der Rahmen und als Psychotherapie-Person kann man nur mit diesem Rahmen arbeiten und den Schwierigkeiten, die da drin bestehen, wenn man den Rahmen generell erstmal auch wertschätzen kann. Korrekt. Ich nehme immer als Analogie, was für die KollegInnen dann oft vertrauter ist, nehmen wir an, ein heterosexuelles Paar kommt zur Paartherapie. Dann würde die Therapieperson auch keine Zeit dabei verschwenden, generell gegen heterosexuelle Beziehungen zu ranten.
Sonja Jüngling
00:19:48
Ja, sehr schönes Bild.
Gisela Fux Wolf
00:19:49
Sondern sie würde die beiden bitten zu erzählen, was passiert denn in ihrer Beziehung. Und würde ihnen helfen, letztendlich auseinanderzuknoten, wie Schwierigkeiten entstehen und wo ihre Ressourcen sind, die Menschen ja, die im Streit sind, oft aus den Augen verlieren. Und genau um diese Perspektive geht es mir, wenn jemand kinkspezifischen Fragestellungen in die Psychotherapie kommt, dass die Therapieperson sagt, ja, ich kenne mich aus, kinky Personen sind mir hochwillkommen, ich sehe Ressourcen, die ein kinky Leben auch mit sich bringt und kann die auch benennen. Und ich bin bereit, mit ihnen so weit reinzugucken, dass wir auch erkennen, was schwierig läuft und ihnen Sorgen bereitet.
Sonja Jüngling
00:20:37
Ja, sehr schön. Wichtig ist mir dabei, glaube ich, noch, dass ich es durchaus für ein Qualitätsmerkmal einer therapeutischen Person halte, wenn sie sagt, ich weiß, was Kink ist, ich bin nicht vorbelastet, ich bin dem offen gegenüber, aber ich habe mich in das Thema nicht so weit reingearbeitet, dass ich mit dem Kink arbeiten kann. Ich kann mit allem anderen arbeiten und nehme dich so an. Und dass die dann sagen kann, okay, für diese spezifische Fragestellung bräuchtest du vielleicht noch eine zusätzliche oder eine andere Person. Das ist auch eine hohe Kompetenz. Weil es gibt ja einen Unterschied, das wirst du als übersetzende Person der Guidelines wissen, es gibt ja einen Unterschied, ob ich fähig bin, mit einem Menschen zu arbeiten, der auch Kinkster ist, oder ob ich an Kink arbeiten kann. Und da lohnt es sich auch durchaus hinzugucken und dass auch jede therapierende Person für sich klar hat, wie viel Thema traue ich mir zu? Habe ich vielleicht Selbsterfahrung? Kann ich da einen Kurs machen über das Buch hinaus? Habe ich da Lust drauf? Also da eine Unterscheidung zu machen und dass die therapierende Person auch weiß, wie viel kann und will ich denn leisten und geben mit dem Thema, ist auch wichtig. Und wenn aber eben in der Nachsorge von BDS oder in der Session was schief geht, dann wäre es natürlich günstig, eine Person zu haben, die sich wirklich auskennt.
Gisela Fux Wolf
00:21:50
Genau, wir in Berlin lösen das auch zum Teil so, dass die KollegInnen so gut vernetzt sind, dass wenn irgendeine kinkspezifische Fragestellung auftritt, also zum Beispiel die Fragestellung, ist diese und jene Praktik für Menschen, die das nicht tausendmal geübt haben, gefährlich oder nicht, dass die sich dann jeweils so gut auskennt im therapeutischen Netzwerk, dass sich die Kollegenperson genau für diese Fragestellung Supervision oder Intervision sucht. Wir haben auch dazu spezifische Intervisionsgruppen. Und dann sich quasi dieses gezielte Fachwissen von der entsprechend kompetenten Kollegenperson holt und dann ihrer Klientenperson sagt, ich befinde mich in einem Netzwerk. Die Fragestellung, die sie jetzt aufwerfen, kann ich im Moment nicht klären, aber ab nächste Woche... Ich mich fit gemacht bei den Kink-Friendly-KollegInnen und kann ihnen mehr dazu sagen. Und meine Erfahrung ist, dass KlientInnen das hochschätzen, wenn sie sagen, okay, da macht sich meine Person fit, bei der ich in Therapie bin und die Woche kann ich auch noch warten.
Sonja Jüngling
00:23:00
Ja, sehr schön. Wie ist dieses Netzwerk organisiert? Ist das eher so, man kennt sich untereinander und der kennt den und ich weiß schon, wen ich fragen kann. Ist das deine ganz persönliche Sache? Gibt es da, weiß ich nicht, eine Signalgruppe oder gibt es einen Namen davon, eine Website? Wie ist das organisiert?
Gisela Fux Wolf
00:23:15
Ja, in Berlin ist es so, dass wir einander insofern dadurch kennenlernen, dass sich Kolleginnen letztendlich outen. Also das wird ja den meisten bekannt sein, sobald man sich outet zu einem marginalisierten Merkmal, erkennt man erstmal in der Gruppe, die vor einem sitzt, wer ist wie drauf. Sobald eine Person sagt, okay, ich definiere mich als asexuell. Lichtet sich das Feld und sie erkennt, wer eventuell zu dem Thema auch eine Verbindung hat. Oder sobald eine Person sagt, ich bin kinky oder queer. Findet man die Menschen. Das heißt, die Problematik ist, dass es erstmal eine gewisse Selbstöffnung braucht, um überhaupt in ein großes Netzwerk reinzukommen. Und dann hat es relativ schnell katalytische Wirkungen. Also die Berliner Netze haben sich insofern gebildet, dass Menschen sehr offen mit der Thematik umgegangen sind, Gesundheitsprofessionelle letztendlich auch, zum Beispiel, dass man einander trifft auf spezifischen Kinky-Veranstaltungen und merkt, ah, ich habe mich doch da schon mal gesehen auf Explore und so weiter und dann einander entsprechend anspricht. Und das ist quasi dann der Effekt, der dann entsteht, also das Netzwerk wächst, weil Leute offen sind. Dann melden sich KollegInnen und sagen, ich habe dieses Element auch und voila. Und in Berlin haben wir jetzt auch gemerkt, das was auch deinem Kinky Profi Netzwerk zugrunde legt. Viele Menschen, die Support suchen in einem Kinky Themenbereich. Haben nicht nur eine psychotherapeutische oder beziehungsbezogene Fragestellung, sondern eventuell auch eine juristische oder die suchen eine sexwirkende Person, die ein Szenario mit ihnen durchspielt oder ein gezieltes BDSM-Coaching für eine Beziehungskonstellation anbieten kann. Und insofern haben wir gezielt ein Netzwerk aufgebaut, in dem wir interprofessionell arbeiten und einander auch supporten als Gesundheitsprofis, als Sexworkende, als Bodyworkende Personen. Und wir haben verschiedene Interventionsgruppen für queere Themen aufgebaut, wo Kolleginnen sich hinwenden können und sagen können, okay, ich habe diese und jene Fragestellung, ich bespreche es jetzt mal im Kreise von psychotherapeutischen Kollegen. Die Schwierigkeit bei den interprofessionellen Netzwerken ist in der Regel, dass wir als Psychotherapie-Personen, also die Schweigepflicht ist juristisch sehr hoch gehängt, zu Recht für die ärztlichen und psychotherapeutischen Professionen und wir können letztendlich nachdenken. Intervisionen, wo wir auch über sehr gezielte Fragestellungen sprechen, eigentlich faktisch nur mit KollegInnen aus dem medizinischen und psychotherapeutischen Bereich haben, weil da quasi die gleichen. Schweigepflichtsregeln gelten. Wenn wir in ein breiteres professionelles Netzwerk gehen, wo auch andere Gesundheitsprofis zum Beispiel sind, bodyworkende, physiotherapeutische Personen, sexwirkende Person, müssen wir nochmal Fragestellungen extrem stark verzerren, damit letztendlich auch die hohe Anforderung an die Schweigepflicht auch gewährleistet ist. Deswegen brauchen wir als psychotarpeutische Person quasi sowohl diese innerprofessionellen Netzwerke als auch die gute Vernetzungsstruktur und die Arbeit zum Beispiel mit mehr perspektivischen Ansätzen multiprofessionell.
Sonja Jüngling
00:26:53
Okay, das heißt, es ist ein Netzwerk, das über persönliche Verbindungen geht innerhalb von Berlin und es ist nicht deutschlandweit, nehme ich an.
Gisela Fux Wolf
00:27:00
Leider noch nicht.
Sonja Jüngling
00:27:02
Weißt du von anderen Netzwerken, die in anderen Städten sind? Oder anderen Regionen?
Gisela Fux Wolf
00:27:07
Klar, ich kenne deins.
Sonja Jüngling
00:27:10
Entschuldigung, also meins ist die Kink-Friendly-Professional-Seite unter dem Schirm von Smart Rhein-Ruhr. Und da findest du, habe ich glaube ich gerade schon erwähnt, da findest du Menschen, die wird auch verlinkt.
Gisela Fux Wolf
00:27:20
Genau, und deins hat ja die grandiose Möglichkeit, dass Leute, die auch einfach suchen, ja, gleich da drauf gehen können und schauen können, okay, da finde ich eine Anwältin, da finde ich eine Psychotherapie-Person und so weiter. Das, was mir für Deutschland auch bekannt ist als Netzwerke, ist ja letztendlich einmal persönliche Netzwerke. Also man kann einander ansprechen, wenn man jetzt zum Beispiel auf überregionalen Veranstaltungen ist. In Deutschland gibt es den Queeren Berufsverband für Gesundheitsprofessionelle VLSP, der auch Online-Intervisionen monatlich anbietet. Da können auch Kinky-Fragestellungen diskutiert werden. Und meine Hauptvernetzung jetzt überregional läuft über den VLSP, wo ich dann eben auch KollegInnen in anderen Regionen ansprechen kann.
Sonja Jüngling
00:28:10
Ja. Gibt es einen Rahmen oder weißt du von Fortbildungen, die in diesem Rahmen angeboten werden für Nicht-Kinkstar?
Gisela Fux Wolf
00:28:15
Ja, tatsächlich, die Deutsche Gesellschaft für Verhaltstherapie öffnet sich zunehmend queeren Themen und bietet zum Beispiel auch auf Psychotherapie-Kongressen Kinky-Kongressen. Psychotherapie-Ansätze an. Genau, das ist das, was ich kenne. Ansonsten gibt es im Bereich der Psychoanalyse schon seit Jahren kinkorientierte Vorträge, die aber nicht immer kink-friendly und kink-respectvoll sind. Das heißt, auch für Gesundheitsprofessionelle wird manchmal etwas unter einer BDSM-Überschrift verkauft, aber man weiß nicht, ob da drinnen etwas Kink-Respektvolles oder etwas Kink-Pathologisierendes stattfindet. Insofern bedeutet die Überschrift nicht immer etwas Hilfreiches für den Inhalt.
Sonja Jüngling
00:29:10
Also das heißt, es gibt Sachen, man kann zum Beispiel die Institutionen, die du angesprochen hast, aufsuchen, aber drauf gucken, was drin ist quasi. Ja, sehr guter Hinweis. Wir haben im Vorgespräch darüber gesprochen, dass, also du hast jetzt viel Netzwerk erzählt und dass du auch verweist. Wir haben im Vorgespräch darüber gesprochen, du bist ja ein Psychotherapeuti und dass es für viele Menschen schwierig ist, eine Psychotherapie zu finden. Und du hast mir erzählt, du nimmst keine PatientInnen mehr auf im Moment und dass ihr aber auch das Netzwerk nutzt, um gegenseitig die Menschen zu verweisen. Magst du da ein bisschen mehr erzählen?
Gisela Fux Wolf
00:29:47
Ja, als queere Person... Psychotherapie-Weiterbildung und wenig Geld, gab es für mich zunächst die Möglichkeit, wenn ich eigenständig arbeiten wollte, Kostenerstattung anzubieten. Kostenerstattung ist ein gesetzlich im Sozialgesetzbuch Nummer 5 festgehaltener Rechtsanspruch von Personen, die einen Psychotherapieplatz suchen, aber keinen bei einer Kassen niedergelassenen Kollegenperson finden. Dazu ist wichtig zu wissen, dass die Kassen niedergelassenen Psychotherapeutinnen letztendlich nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen anbieten können, weil die Anzahl dieser KollegInnen ist kontingentiert worden, und zwar 1999. Schon damals entsprach die Anzahl der niedergelassenen PsychotherapeutInnen nicht dem Bedarf von behandlungssuchenden Personen. Wir sehen jetzt einen gesellschaftlichen Trend, den wir sehr begrüßen, dass die Bereitschaft, eine Psychotherapie bei einem Behandlungsbedarf in Anspruch zu nehmen, langsam steigt. Die lag in den 80ern bei einer sehr geringen Anzahl. Also jetzt zum Beispiel, ich habe auch dazu geforscht, bei den suchtbetroffenen Menschen hat nur ein Prozent letztendlich Psychotherapie in Anspruch genommen, einfach aus Angst vor Beschämung. Und wir sehen, dass jetzt die Zahl der Menschen, die einen Bedarf nahmen nach Psychotherapie und sich trauen, die in Anspruch nehmen zu wollen, steigt. Unterdessen, so würde ich mal schätzen, auf fünf bis zehn Prozent, je nach Krankheitslast. Und für diese fünf bis zehn Prozent, die einen Bedarf haben, gibt es nicht genügend Behandlungsplätze. Und die Kostenerstattungspsychotherapeutinnen sind diejenigen, die die gleiche Ausbildung haben wie die Niedergelassenen, nur keinen Kassensitz ergattern konnten. Diese Kassensitze werden unterdessen für teuer Geld verkauft, obwohl sie damals bei der Zulassung die Kolleginnen kein Geld gekostet haben. Wir sehen hier also auch ein hochproblematisches Risiko. Bei denen insbesondere KollegInnen, die wenig Geld haben, und das sind dann oft die KollegInnen, die aus eigener Erfahrung Marginalisierung kennen. Nur begrenzte Möglichkeiten haben, sich einen teuren Kassensitz zu ergattern. Deswegen findet man mehr marginalisierungskompetente KollegInnen im Bereich der Kostenerstattung und KlientInnen, die Kostenerstattung in Anspruch nehmen möchten, müssen quasi nachweisen, dass sie keinen Platz bei einer kassenniedergelassenen Person finden, plus dass sie einen Behandlungsbedarf haben, um letztendlich diesen Rechtsanspruch gegenüber ihrer Krankenkasse durchzusetzen. Ich habe unterdessen meine Positionierung im Gesundheitssystem auch verbessert. Ich habe mir quasi eine Bedarfszulassung für Trans- und Interpersonen eingeklagt, weil ich nicht bereit war, dieses System zu unterstützen, indem man sich einen Kassensitz kauft. Ich finde es zutiefst ungerecht. Deswegen bin ich vor Gericht gezogen. Das hat mehrere Jahre gedauert. Aber jetzt habe ich quasi diese Zulassung, um mit Menschen zu arbeiten, die im Transitionsprozess sind oder von der Interpositionierung her kommen und sich damit auseinandersetzen möchten. Das heißt... Ich kann über diesen Kassensitz themenspezifisch alle Leute aufnehmen, die einen Therapieplatz suchen und erstmal eine Sprechstunde brauchen. Weil bei einer Sprechstunde nicht klar ist, letztendlich mit welchem Bedarf kommt die Person. Das heißt, ich versuche Menschen jetzt erstmal auf die Sprechstunde aufzunehmen, dann kann ich ein Dokument ausstellen, was den Therapiebedarf bestätigt und damit wiederum kann die Person sich auf die Suche machen nach einem Therapieplatz. Und in Berlin haben wir eine große Vernetzung von KostenerstattungskollegInnen aufgebaut. 600 sind es. Und da wird alle zwei Wochen eine aktualisierte Liste der freien Plätze rumgeschickt und auch quasi deutlich gemacht, zu welchen Themen es freie Plätze gibt. Das heißt, die Versorgung läuft so. Ich und viele andere KollegInnen, die das können, bieten eine Sprechstunde an, gucken auf diese Liste, stellen die Dringlichkeitsbescheinigung PTV11 aus und geben Tipps. Wie ein Platz gefunden werden kann bei einer Kollegenperson, die aktuell freie Kapazitäten zu bestimmten Themen gemeldet hat. Das funktioniert relativ gut.
Sonja Jüngling
00:34:46
Aber da seid ihr in Berlin natürlich extrem gut organisiert. Man muss dabei sagen, dass diese Kostenerstattungsverfahren von Bundesland zu Bundesland auch manchmal ein bisschen anders gehandhabt werden. Ich möchte mal einen kleinen Schritt zurück machen für die, die sich damit gar nicht auskennen. Also was du gerade gesagt hast, war, dass eben die Kassensitze begrenzt sind, die Anzahl der Kassensitzen und damit auch die Anzahl der PatientInnen begrenzt sind, dass die vom Staat begrenzt werden, dass es schon 1999 vermutlich zu wenig Plätze gab und dadurch, dass der Bedarf Gott sei Dank gestiegen ist, weil sich mehr Leute trauen, sich Hilfe zu holen, ist noch weniger Platz eigentlich im Kassensystem. Und was du auch gesagt hast, war, dass Menschen, die marginalisierten Gruppen angehören, mit höherer Wahrscheinlichkeit kein Geld haben, also eine geringere Wahrscheinlichkeit haben, in das Kassensystem überhaupt reinzukommen. Und dass es dadurch gleich Diskriminierung auf zwei unterschiedlichen Seiten gibt, nämlich, dass Menschen, die marginalisiert sind, schlecht ins Kassensystem als Profis reinkommen und dass Menschen, die marginalisiert sind und einen Profi brauchen, auch diskriminiert werden darüber, weil sie dann eher freie oder Selbstzahleroptionen oder eben das Kostenerstattungsverfahren nutzen müssen.
Gisela Fux Wolf
00:35:54
Genau, das ist hürdenreich, Kostenerstattungsverfahren. Das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt zwar den Rechtsanspruch, den muss man aber mit viel Selbstbewusstsein auch durchsetzen, weil die Krankenkassen, für die ist ja jeder in Anspruch genommene Therapieplatz über das Kostenerstattungsverfahren etwas, was zusätzlich bezahlt werden muss. Die Krankenkassen denken hier finanziell extrem kurzfristig, weil Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, bedeutet ja eine erhebliche Einsparung an Leitaufgaben. Und auch gesundheitlichen Folgekosten. Die Krankenkassen verhalten sich unterschiedlich kooperativ bis massiv renitent gegenüber diesem Rechtsanspruch. Und die Person, die bei einer renitenten Krankenkasse ist, braucht in der Regel sehr viel Support, ihren Rechtsanspruch durchzudrücken.
Sonja Jüngling
00:36:52
Was sie oft ja nicht hat, weil sie ja selbst, also ich meine, wenn ich auf der Suche nach einer Psychotherapie bin, dann fällt mir der Alltag extrem schwer. Das heißt, diese Menschen brauchen wirklich einfach Unterstützung dabei, überhaupt in dieses System, wie komme ich an eine Therapie heranzukommen. Es gibt, ich möchte das ganz kurz erwähnen, das ist ganz wichtig, es gibt eine Seite, die Informationen zu all dem, was wir gerade besprechen, zusammenfasst, sodass Menschen eine Idee davon bekommen, wie läuft dieses Kostenerstattungsverfahren. Die verlinken wir auch, Freedom Wave heißt die. Und also ich kann nur wirklich sehr ermutigen, euch diesen Weg zu stellen und dabei euch Unterstützung zu suchen, weil das kann unter Umständen schwer sein. Es kann auch ganz leicht sein. Ich habe auch schon Leute in die Therapie begleitet, wo es ganz leicht ging. Aber sucht euch da Unterstützung, weil es kann unter Umständen in der renitenten Krankenkasse sehr anstrengend sein. Und manchmal machen die Therapeutis und auch die Krankenkassen geben einem das Feedback. Also einer Person, die das versucht, naja, du bist ja nicht krank genug. Also es wird da auch wieder massivst Widerstand geleistet, der natürlich sich auf die Psyche der beschreffenden Person auch nicht besonders gut auswirkt.
Gisela Fux Wolf
00:37:55
Genau, es ist empörend, auch weil es ja auf der einen Seite ein Rechtsanspruch ist und wir immer wieder seitens der Krankenkassen erfahren, dass die Krankenkassen ihre behandlungssuchenden KundInnen in vielen Fällen eigentlich belügen und behaupten, es gäbe diesen Rechtsanspruch nicht. Und es gibt Krankenkassen, die, obwohl sie durch diesen Paragrafen 13.3 im SGB V wie alle Krankenkassen verpflichtet sind, Kostenerstattung in bestimmten Bedingungen zu übernehmen, die behaupten, für sie als Krankenkasse gelte dieses nicht. Und mir ist es wichtig zu sagen, dass das eine Falschaussage ist. Also für jeden Menschen gilt der Anspruch bei einem Bedarf auf einen Therapieplatz und der gilt auch bei jeder Krankenkasse.
Sonja Jüngling
00:38:47
Ja, vielen Dank. Das ist eine ganz wertvolle Information. Ich versuche, alles mitzuschreiben und das dann auch unten in den Shownotes zu verlinken. Das heißt, wenn eine therapiesuchende Person bei dir anklopft, dann hat die bei dir relativ gute Chancen, irgendwann auch auf einen sogar von der Krankenkasse bezahlten Platz zu kommen. Nicht vielleicht bei dir, aber euer Berliner Netzwerk kann unterstützen. Gibt es irgendwas, was du einer Person, die auf dem Land in Baden-Württemberg sitzt und denkt, mir geht es psychisch nicht gut, ich bin außerdem Kinkstar und oder queer, ich brauche irgendwie eine Therapie. Hast du eine Idee, was diese Person tun sollte? Ganz konkrete Unterstützungsmöglichkeiten, wie sollte die vorgehen?
Gisela Fux Wolf
00:39:25
Ich bin da relativ privilegiert. Ich reise sehr viel rum für die ganzen queeren Fortbildungen, die ich gebe. Deswegen kenne ich oft regional diverseste KollegInnen und weiß, wer was macht. Kompetent anbieten kann. Ich würde einer behandlungssuchenden Person, wenn ich die Infrastruktur nicht kenne, immer empfehlen, sich an die nächste queere Beratungsstelle zu wenden. Es gibt ja auch Städte, in denen auch Kink-spezifische Angebote sind, also quasi die Community. Und dort dieses Community-Wissen zu nutzen, wer mit wem vernetzt ist. Es gibt zum Beispiel, also man kann zum Beispiel auch, wenn man merkt, man ist in Not und ist Kunde bei einer sexwirkenden Person, viele sexwirkende Personen sind auch gut vernetzt und wissen, wo irgendwelche coolen PsychotherapeutInnen, die jemanden nicht stigmatisieren, wegen Sexwork anbieten oder in Anspruch nehmen, sitzen. Das heißt, alle Profis, die im Teambereich unterwegs sind, kann man letztendlich ansprechen und fragen. Man kann auch Community-Netzwerke online nutzen und darum fragen. Und der VLSP hat ebenfalls eine TherapeutInnenvernetzung. Das heißt, da kann eine Person auch eine E-Mail hinschreiben. Und erfahrungsgemäß sind die Menschen, die sich im therapeutischen Bereich von queeren Themen geöffnet haben, auch so gut vernetzt. Wenn sie dann als Profi zum Beispiel mal einen Kinkstar sehen, aber selber das noch nicht erlebt haben, wie sich das anfühlt, dass die aber in der Regel in ihrem queeren Kollegenkreis irgendjemand kennen, wo sie dann eben entsprechend fortbilden kann. Es empfiehlt sich eben, die queere Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen und zu suchen.
Sonja Jüngling
00:41:25
Ich möchte dann noch auf ein Angebot eingehen, was ich mache. Ein- oder zweimal im Jahr mache ich mit der Person, die die Seite zu der Kostenübernahme macht. Also so eine Art Vortrag oder Sprechstunde, wo ich eben auch erzähle, welchen Herausforderungen man begegnet und wie Person X sich selber helfen kann. Also wie zum Beispiel sich auf Erstgespräche vorbereiten, was bei Erstgesprächen sagen, nicht sagen, was wichtig ist, dass ich eine Psychotherapie so finde, dass sie auch zu meinen Bedürfnissen passt. Wir reden da auch darüber, wie ein Anschreiben sein könnte, in dem ich sehr unauffällig herausfinde, ob die Person diskriminierungsfreundlich berät. Es gibt Seiten wie zum Beispiel QueernMate, die professionelle Listen hat, die Kink-Friendly-Professionals sei da gelistet. Aber auch auf therapiesuche.de findet man natürlich Menschen, die das Thema auf ihrer Homepage haben. Meine Erfahrung nach ist es so, dass es sehr viel mehr kinkfreundliche Personen gibt, die das tun, aber sich nicht trauen, auf ihre Homepage zu schreiben, als man meint. Aber natürlich gibt es da auch viele kinkunfreundliche Personen. Und da zu gucken, woran erkenne ich eigentlich kinkfreundliche und kinkunfreundliche Personen, sich darüber Gedanken zu machen und so einen Mindeststandard zu haben, da hilft eben dieser Vortrag. auf der Kink-Friendly-Professional-Seite wird auch gar eine FAQ-Seite aufgebaut. Also unterhaltet euch einfach auch mit Menschen. Das ist einfach total wichtig. Guckt, ob ihr vielleicht einen Stammtisch findet und unterhaltet euch damit. Wenn ihr jemanden findet, der einfach sagt, mir ging es auch so oder hey. Wenn du mal Redebedarf hast, da ist schon viel mitgetan. Und ich finde diesen Hinweis mit dem VLSP. Das empfehle ich selten, obwohl der mir ganz häufig begegnet. Das ist ein ganz, ganz wertvoller Hinweis. Und meistens, wenn man dann einer netten Person gegenübersteht, die... Also irgendeinen kleinen Schritt bringt dir einen immer weiter. Und also selbst wenn Leute mich anschreiben und sagen, hast du jemanden, der kassenärztlich berät in dem Thema? Also weil die Kassenärzte oder die Kassentherapeutis lassen sich auf diesen Listen nicht listen, weil die so überschwemmt werden, dass die es einfach nicht nötig haben und auch nicht wollen, auf diesen Listen zu stehen, selbst wenn sie Kink-friendly sind. Und deswegen findet man auf den Listen relativ wenige, die im Kassensystem sind. Aber selbst ich habe dann eine Idee, wie ich weiterhelfen kann. Irgendeinen Namen habe ich, den ich weitervermitteln kann. Also wenn man eine Person findet, die wirklich helfen will, dann kommt man auch einen kleinen Schritt weiter. Nicht vielleicht den entscheidenden, aber man kann sich dann so lang hangeln und dafür braucht es Kraft. Und deswegen mein Aufruf auch nochmal, kümmert euch auch um die emotionale Versorgung, wenn ihr auf der Suche nach einem Therapieplatz seid. Das ist ganz, ganz wichtig. Ja, genau. Ich gucke jetzt gerade mal, unsere Zeit ist eigentlich um. Wir könnten natürlich noch ganz viel reden, aber ich gucke mal, ob es noch irgendeine Sache gibt, die ich ganz, ganz wichtig finde, zu benennen. Ich habe eigentlich soweit alles gefragt. Also meine Aussichten sind, also schaut gerne in das Buch, wenn ihr denkt, eure therapierende Person könnte noch ein bisschen Fortbildung gebrauchen. Kümmert euch um einen Therapieplatz und habt im Kopf, dass im Kassensystem vielleicht für marginalisierte Gruppen ein bisschen weniger Möglichkeiten gibt, eine gute Therapie zu finden als im Kostenerstattungs- oder Selbstzahlersystem, wobei eine richtig ordentliche langfristige Therapie natürlich als selbstzahlende Person quasi unmöglich ist, wenn ich nicht viel Geld auf dem Konto habe. Und insofern da in das Kostenerstattungssystem reinzukommen, ist ganz wichtig und manchmal läuft es wirklich sehr problemlos. Dann geht es mit einem Formular und drei abgelehnten Therapieplätzen schon durch. Manchmal dauert es länger, es kommt auf die Krankenkasse und das Bundesland an. Genau, das wäre das, was ich gerne mitgeben wollen würde. Ich bin durch mit meinen Fragen. Gibt es noch was, was du gerne ergänzen möchtest, was dir gerade im Kopf rumschwebt?
Gisela Fux Wolf
00:44:59
Ja, vielleicht aus der Perspektive von behandlungssuchenden, kinkerfahrenen Personen, denke ich, ist auch immer gut, wenn man sich vorher klar wird, brauche ich das, dass meine Therapieperson einfach meine soziosexuelle Positionierung respektvoll anerkennt und, Und mich nicht dafür diskriminiert und reicht das als Basis, um dann zum Beispiel an meiner Depression mit der Person arbeiten zu wollen. Denn die Personen im therapeutischen Bereich, die kinkrespektvoll oder kinkfriendly sind, das lässt sich relativ schnell klären, indem man sich öffnet als Klientenperson und dann mal auf die erste Resonanz schaut und genau eben sagt, was man eigentlich braucht. Einfach zum Beispiel Respekt für die eigene Lebensweise. Davon unterschieden sind dann die kink-kompetenten KollegInnen. Das wäre ein guter Match für diejenigen Kinksters, bei denen tatsächlich in einer Kinky-Konstellation auch Schwierigkeiten auftreten. Also zum Beispiel eine schwule Person, die ihre Kinky-Seite nur unter Chemsex leben kann, braucht nicht nur eine kinkrespektvolle Therapieperson, sondern auch eine kinkkompetente Therapieperson, die letztendlich auch das auseinanderdröseln kann, welche Funktionen hat der Substanzgebrauch für die Kinky-Praxis. Oder jemand, wo durch ein spezifisches Szenario in emotionale Zustände gestürzt ist, die mit dem Szenario sehr eng verbunden sind. Also jemand, der zum Beispiel aus einer DOM-Rolle oder Subrolle im Alltag nicht mehr rauskommt, braucht auch eine kinkkompetente Person. Und auch das macht Sinn, man sagt es im Anfang, und benennt auch die spezifischen kinkbezogenen Fragestellungen und bittet die Therapieperson, dass sie dazu am Anfang schon ein bisschen was sagt. Weil die Problematik ist, wenn man erstmal einfach auf sein Bauchgefühl hört und dann sagt, ich lande bei einer Person, die ist einfach freundlich, aber ans Eingemachte mache ich mich erst später, ist, dass man dann eventuell schon eine Bindung aufgebaut hat zur Therapieperson und nach 15 Sitzungen kommt raus, die ist zwar nett, aber kann mit der Thematik nicht. Dann muss man diese Bindung wieder lösen oder man kommt in diese klassische Konstellation, dass man was akzeptiert, weil die Bindung gut ist, was eigentlich suboptimal ist oder im schlimmsten Fall überhaupt nicht hilft und schädlich ist. Das heißt, da würde ich, obwohl ich weiß, dass man oft auch negative Resonanzen kriegt, dazu raten, von Anfang an einen offenen Move zu machen, weil wenn man dann diskriminiert wird oder eine unerfreuliche Antwort erhält, kann man gleich die Beine in die Hand nehmen und wegrennen.
Sonja Jüngling
00:48:10
Ja, das stimmt. Also ich empfehle manchmal, dass wenn es nur eine Kinkfreundliche und nicht Kinkkompetente Person ist, und es ist voll gut, dass du das nochmal erwähnst, wie wichtig diese Unterscheidung ist, dass wenn ich eine Kinkfreundliche Person suche, dass das manchmal reicht, dass ich einfach grundsätzlich abfrage, ist diese Person, geht die gut mit marginalisierten Gruppen um? Aber du hast natürlich recht, wenn ich im Kind-Bereich ein Problem habe, dann sollte ich sehr früh sehr deutlich machen, was ich eigentlich brauche. Die Frage ist dann natürlich immer, wie kriegt diese Person so viel Selbstwertgefühl, dass sie sich das traut zu sagen und wie kann sie sich dann gegen eventuelle Diskriminierungen schützen, weil in der Psychotherapie gesagt zu kriegen, solange du nicht anerkennst, dass du krank bist, ist einfach nicht schön zum Beispiel, aber ich fürchte, auf lange Sicht gesehen ist es manchmal einfach günstiger, sich diesen Schmerz oder diesen potenziellen Schmerz zu stellen, um dann langfristig eine bessere Option zu haben, weil du hast recht. Wenn ich nach 15 Sitzungen eine Bindung aufgebaut habe und merke, die Person kann mir nicht helfen, ist das ganz schön schrecklich und viel schrecklicher, als wenn ich direkt diese Erfahrung mache. Ja, das sehe ich auch so. Genau. Vielen Dank für diese Ergänzung. Ich würde dann jetzt schließen und möchte aber noch einen Aufruf dranhängen an die Menschen, die vielleicht was zu ergänzen haben zu der Thematik. Vielleicht eine Seite, die wir noch nicht kennen. Vielleicht ein Netzwerk, das wir noch nicht kennen. Also grundsätzlich könnt ihr natürlich auch immer nochmal ins Ausland gucken, weil es da tatsächlich an vielen Stellen auch etwas entspannteren Umgang damit gibt. Es gibt Kinky-Konferenzen von Professionellen im amerikanischen Raum, die da einfach ein bisschen progressiver mit umgehen. Es gibt auch welche, die gehen schlimmer damit um, aber wenn du eine Seite kennst oder etwas beitragen kannst dazu, wenn du mir ein Dokument schicken kannst, wo das alles nochmal zusammengefasst ist, irgendwas, ich verlinke das gerne, ich mache gerne noch eine Ergänzung zu der Folge, melde dich gerne auf jeden Fall. So, Fuchs, dann vielen, vielen Dank, dass du mir deine Zeit geschenkt hast und danke, dass du uns mitgenommen hast, welche Aspekte von BDSM und Psychotherapie doch auch wichtig sein können. Und ich finde es richtig schön, dass du die Intersektionalität mit reingebracht hast, denn du hast recht, diskriminierungsfeindliche Räume diskriminieren alle, nicht nur Kinkster. Okay, vielen Dank. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Schön, dass du da warst.
Gisela Fux Wolf
00:50:21
Danke dir.
Sonja Jüngling
00:50:22
Bis dann. Tschüss. Schön, dass du bei der heutigen Folge dabei warst. Wir freuen uns, wenn du etwas Wertvolles mitnehmen konntest. Vielleicht magst du es dir kurz notieren? Was hat dich bewegt? Gab es einen Aha-Moment? Möchtest du etwas vom Gesagten umsetzen? Möchtest du uns dazu etwas mitteilen? Dann schreib uns unter podcast@sonjajuengling.de, oder auf Instagram @mopoco_podcast. Wir sind total dankbar, wenn du uns Hinweise oder Tipps gibst, die den Podcast verbessern oder meine Arbeit ergänzen können. Und wir sind dankbar, wenn du uns unterstützt, finanziell oder ganz praktisch und wenn du uns weiterempfiehlst. Alle Infos dazu findest du unter mono-poly-co.letscast.fm Und wir freuen uns, wenn du ganz viel Wohlwollen in die Welt und in dein Herz trägst. Denn jede Person darf fühlen, was sie fühlt und hat gute Gründe für alles, was sie tut. Also begegne jeder Person mit Wohlwollen, auch ganz besonders dir. Lass uns die Welt liebevoller und verständnisvoller machen.

Feedback geben

Dir gefällt der Podcast und Du möchtest das mal loswerden? Du hast Tipps für neue Themen oder magst über den Inhalt bestimmter Folgen diskutieren? Dann wähle im Formular die jeweilige Episode aus und schreib uns eine Nachricht. Vielen Dank für Dein Feedback!

Mit einem Klick auf "Nachricht absenden" erklärst Du Dich damit einverstanden, dass wir Deine Daten zum Zwecke der Beantwortung Deiner Anfrage verarbeiten dürfen. Die Verarbeitung und der Versand Deiner Anfrage an uns erfolgt über den Server unseres Podcast-Hosters LetsCast.fm. Eine Weitergabe an Dritte findet nicht statt. Hier kannst Du die Datenschutzerklärung & Widerrufshinweise einsehen.

★★★★★

Gefällt Dir die Show?
Bewerte sie jetzt auf Apple Podcasts