Mono, Poly & Co

Dein Wissens-Podcast rund um Beziehungsgestaltung

#111 - Therapiesuche bei kink, queer & Co.: Tipps aus Sonjas Praxis

Inneres Stigma, offene Diskriminierung und Leidensdruck beim Start einer Therapie

23.11.2025 23 min

Zusammenfassung & Show Notes

Therapiesuche bei Kink, Queer & Co: Inneres Stigma, Diskriminierung und Leidensdruck. Sonja gibt Orientierung für die Suche und Begleitung.

In dieser Folge spricht Sonja über ganz praktische Aspekte bei der Therapiesuche und therapeutischen Begleitung für Menschen aus nicht-normativen Lebenswelten – queer, poly, BDSM und mehr. Im Fokus stehen drei Phänomene aus der Praxis: inneres Stigma, offene und subtile Diskriminierung sowie der hohe Leidensdruck rund um den Start einer Therapie. Du bekommst eine klare Orientierung, wann Paarberatung reicht, wann Einzeltherapie sinnvoll ist und was in der Zwischenzeit hilft.

📌 Themen dieser Folge:
  • Inneres Stigma: Was es ist, wie es wirkt und warum Wissen (z. B. WHO-Entstigmatisierung) entlasten kann
  • Regulationsfähigkeit als Schlüssel: Warum reine Information oft nicht reicht
  • Grenzen von Paarberatung und wann ergänzende Unterstützung sinnvoll ist
  • Wege aus der „Gehirnwäsche“: bewusste Gegenbotschaften und positive, bestätigende Erfahrungen
  • Offene vs. subtile Diskriminierung: erkennen, einordnen, reagieren
  • Ressourcencheck: ansprechen, vermeiden oder aufarbeiten – was passt gerade?
  • Praktische Selbstfürsorge: erst regulieren, dann handeln; Co-Regulation im Alltag
  • Leidensdruck im System: Wartezeiten, Frequenzen, Kassensitze – und was du trotzdem tun kannst
  • KI-Tools als Unterstützung: gezielt nutzen statt Ersatz für Beziehungen
  • Fazit: Balance von Selbst- und Co-Regulation als lebenslange Aufgabe
💡 Das Wichtigste in Kürze
  • Inneres Stigma ist erlernt und verstärkt Angst – Benennung und Fakten können entlasten.
  • Regulation first: Tempo rausnehmen, Co-Regulation nutzen, dann entscheiden.
  • Diskriminierung kann subtil sein; du musst nicht das System allein reparieren.
  • Vermeidung und Ablenkung sind legitime Strategien zum Selbstschutz.
  • Therapiesuche ist Teil des Prozesses: Bedürfnisse klären, erste kleine Schritte gehen.
  • KI kann helfen (z. B. beim Sortieren), ersetzt aber kein unterstützendes Netz.
  • Beziehungen brauchen keine Perfektion – hol dir Hilfe, wenn Baustellen den Alltag blockieren.

Hast du Fragen oder möchtest uns Feedback geben?

Kontakt zu uns:
📧 podcast@sonjajuengling.de
📸 Instagram: @mopoco_podcast
🗣️ Diskussionsgruppe zum Podcast: https://t.me/+qHqB5VYoQSw2NzYy
🌐 Webseite: https://mopoco-podcast.de

💡 Unterstütze uns:
Credits:
Die Musik wurde für uns von NeoKorTechs zusammen gemischt und zur Verfügung gestellt (insta: @neokortechs, Homepage: http://www.christian-janz.de). Vielen lieben Dank!

🎧 Danke fürs Zuhören – lass uns gemeinsam die Welt liebevoller und verständnisvoller machen - für dich, für deine Beziehung, für alle! ❤️

Zu Sonjas Beziehungs-Coaching und Blog-Beiträgen: https://sonjajuengling.de/

Transkript

Hallo und herzlich Willkommen bei Monogamie, Polyamorie und Co., dem Wissenspodcast rund um Beziehungen aller Art. Mein Name ist Sonja Jüngling und zusammen mit meinem wundervollen Helferlein Luna unter Unterstützung anderer lieber Menschen möchte ich Wissen und Handlungsmöglichkeiten für Beziehungen in allen Formen für jede Person frei zugänglich machen. Damit wird unsere geliebte Vielfalt noch sichtbarer und die Welt unserer Meinung nach viel bunter und schöner. Heute gibt es eine Folge aus der Praxis mit einem Beispiel aus meiner Arbeit als Paarberaterin zum Thema der letzten Folge. Höre dort doch gern kurz rein für Hintergrundinfos und Tipps, falls du sie noch nicht kennst. Wir möchten darauf hinweisen, dass die Namen und Details aller meiner Fälle so verfremdet sind, dass keine Zuordnung möglich sein sollte. Und dann geht es auch schon los mit der nächsten Folge von MoPoCo, dem Wissenspodcast zu allen Formen von Beziehungen und Lieblingssituationen. Willkommen zu einer neuen Praxisfolge bei Monopoly und Co. Letzte Woche habe ich über diskriminierungssensible Begleitung bei Kink, Queer und Co. gesprochen. Und da habe ich inhaltlich erklärt, wie ich gute, passende Therapie finde und was das überhaupt heißt und was ich bis dahin machen kann. Heute möchte ich über den praktischen Aspekt bei der Therapiesuche sprechen, beziehungsweise bei der therapeutischen Begleitung für Kink, Queer und Co. Und benenne dabei wie immer drei Phänomene aus meiner Praxis als Paartherapeutin. Das spielt deswegen eine Rolle, weil ich immer wieder Menschen dabei begleite, zusätzlich eine Therapie zu machen oder eine Therapieperson zu finden oder eine andere Begleitung neben der Paarberatung, weil diese Themen oft in die Paarbeziehung mit reinspielen. Ich habe heute drei Phänomene mir rausgepickt. Einmal das innere Stigma, einmal die offene Diskriminierung und einmal den Leidensdruck bei dem Start der Therapie. Ich fange also an mit dem inneren Stigma. Was heißt das überhaupt? Inneres Stigma bedeutet, dass ich entweder von außen so lange indoktriniert wurde mit Poly ist krank, Queersein ist krank oder seltsam oder unmännlich oder unweiblich oder was auch immer, dass ich in mir eine Verurteilung habe. Und wenn ich in mir eine Verurteilung habe darüber, dass ich irgendeiner Randgruppe angehöre, dann steigt außerdem die Angst davor, diskriminiert zu werden und verurteilt zu werden. Das heißt, die Angst vor Verurteilung und Diskriminierung ist so oder so da, aber wenn ich innerlich mich auch noch selber verurteile, dann steigt die Angst und es ist natürlich total unangenehm, sich selbst zu verurteilen. Und das begegnet mir tatsächlich total häufig, dass die Leute denken, ich darf nicht poly sein, weil es unverschämt oder gierig ist, so viele Menschen auf einmal lieben zu wollen oder haben zu wollen oder so vielen Menschen begegnen zu wollen. Das ist zum Beispiel ein inneres Stigma und es gibt noch ganz viele andere Dinge. Und das begleitet eine Person aber ganz oft in diesem Prozess und hemmt sie auch. Und oft ist das innere Stigma gar nicht so klar. Oft merke ich gar nicht, dass es ein Glaubenssatz ist oder dass mich das hemmt oder dass ich so krass verurteilende Gedanken habe, weil die Angst vor der Diskriminierung im Außen so groß ist, dass ich gar nicht in mich selber reinspüren kann. So oder so, wenn ich Angst vor Diskriminierung habe oder mich selbst dafür verurteile. Dann ist es einfach total schwierig und es schränkt mich ein in meinem Ich-Sein, in meiner Selbstwirksamkeit, in meinem Selbstwert. Mir ist dabei ganz wichtig zu sagen, dass weder die Neigung BDSM oder die Identität BDSM noch eine Nicht-Cis-Geschlechtlichkeit, also eine Transgeschlechtlichkeit, also eine Unsicherheit oder ein Wechsel meiner Geschlechtlichkeit, noch die nicht-heterosexuelle Orientierung, also als Mann Frauen zu mögen, als Frau Männer zu mögen, noch die Vorliebe mehr als eine Person oder die Veranlagung mehr als eine Person lieben, ihr sexuell begegnen zu wollen, dass nichts davon in irgendeiner Form krank ist. Die WHO hat schon länger bekannt gegeben, dass BDSM nicht krank ist und auch queere Lebensweise ist, wenn ich auf die sexuelle Orientierung gucke. Schon längst aus dem ICD-10, also aus dem WHO-Diagnose-Schlüssel gestrichen worden. Queere Lebensweise. Bereits 1992 und die BDSM-Neigung ist 2022 gestrichen worden. Also das ist nicht krank. Es ist vielleicht ungewöhnlich, aber es ist definitiv nicht krank. Und das nimmt dir natürlich nicht die Angst, davor diskriminiert zu werden. Aber wenn du dich selbst annehmen kannst, dadurch ist das ja schon mal ein guter Schritt. Trotzdem macht dieses Kopfkino die Angst davor natürlich den therapeutischen Prozess schwieriger. Und deswegen ist es wichtig, da immer wieder hinzugucken. Was ich in der Therapie dann mache, ist, dass ich eben das benenne und immer wieder bestätige und manchmal auch Studien raussuche, wo das nochmal bestätigt ist. Und ich eben begleite dabei, mit dieser Angst einen Umgang zu finden, die vielleicht sogar abzubauen und selbstbewusst diskriminierenden Verhaltensweisen oder Gedanken gegenüber zu treten. Wenn ich allerdings an dieser Stelle arbeite, dann ist es ganz oft so, dass es schwierig ist, das in der Paarberatung aufzufangen und das ist natürlich auch eigentlich gar nicht mein Job, passiert aber natürlich trotzdem. Weil die Menschen oft nicht wissen, wohin damit. Im Idealfall gehen sie damit zu ihren Freundes, Familienmitgliedinnen, Bekannten und irgendwelchen Selbsthilfegruppen und helfen sich da. Allerdings ist es so, dass wenn die Angst erstmal kommt und dann vielleicht sogar noch eine Verurteilung da ist, dann anfängt. Hat das ja immer auch zur Folge, dass ich in gewisser Form mit Emotionen konfrontiert bin, die ich regulieren muss. Und ganz viele Menschen, die auf Therapiesuche sind oder die in einer Therapie sind, sind ja regulationseingeschränkt. Also ganz viele Menschen, die therapeutisch arbeiten müssen, müssen das vor allem deswegen tun, weil sie eine Regulationsstörung haben. Also weil sie sich nicht gut selbst regulieren können oder weil sie die Balance zwischen Selbstregulation und Korregulation verloren haben. Und dann sind solche Prozesse, kognitiv gegenzuwirken, dass BDSM nicht krank ist, Glaubenssätze aufzulösen und so, solche Prozesse für diesen Menschen natürlich nochmal besonders anstrengend, weil es dafür eben eine große Regulationsfähigkeit braucht. Und manche Paartherapeutis können das ein bisschen auffangen. Manchmal kann man das über Ergotherapie oder Ähnliches auffangen. Aber das ist natürlich immer etwas, was da an der Stelle zu beachten ist. Und da ist meine Vorgehensweise immer Tempo rauszunehmen. Und wenn ihr merkt, dass ihr in Beratungssettings, An dieser Stelle Probleme habt, kann ich euch auch sehr empfehlen, dass ihr vielleicht das Tempo rausnehmt, dass ihr oft atmet zwischendurch und in den Mittelpunkt stellt, dass es gerade regulationsmäßig Probleme gibt und das auch der anderen Person zur Verhügung stellt, weil vielleicht kann sie euch an dieser Stelle helfen. Vielleicht können euch eure Freunde, die es mit Co-Regulation helfen. Also das zu benennen kann da ganz wertvoll sein. Grundsätzlich ist es aber so, wenn ich ein inneres Stigma habe oder Angst davor habe, dann habe ich vermutlich ja Erfahrungen in der Richtung und eben eine lange Gehirnwäsche hinter mir. Und da gibt es im Grunde genommen eigentlich nur zwei Methoden, da rauszukommen. Nämlich das eine ist, dass ich mir selber oder durch mein Umfeld mir eine Antigehirnwäsche verpasse, also immer wieder klar mache, dass das kein Stigma ist und dass ich mich selbst annehmen kann. Und auf der anderen Seite eben positive Erfahrungen zu sammeln, wenn es nichts zu einer Diskriminierung gekommen ist, sondern zu einem positiven Umgang damit. Und dabei sind Beratis, die vielleicht nicht therapeutisch arbeiten, aber eben annehmend arbeiten, total wertvoll. Weil die Erfahrungen, die dazu geführt haben, dass ich Angst davor habe, stigmatisiert bin, mich fühle und ein inneres Stigma habe, das sind oft therapeutische Prozesse. Und das ist dann eben diese Zwickmühle, weil ich möchte in die Therapie, um einen diskriminierenden Vorfall aufzuarbeiten, habe aber dann gleichzeitig Angst vor Diskriminierung und vielleicht auch dann auch noch die Erfahrung gemacht, dass ich diskriminiert werde. Das ist ein bisschen Teufelskreis und an irgendeiner Stelle ist es nötig, da auszusteigen und da wünsche ich dir ganz viel Mut für dich einzustehen und die richtige Stelle zu finden, die dir da hilft. So, das war es zum Thema inneres Stigma. Dann gibt es natürlich noch die ganz offene Diskriminierung. Ich habe immer wieder Klientis, die mir sagen, dass gefragt wird, wenn Beziehungsöffnung stattfindet oder gewünscht ist, wenn paralleles Dating passiert, die immer wieder nachfragen und von Liebesunfähigkeit und Bindungsstörungen reden und so. Das ist eine ganz offene Diskriminierung einer nicht Monoamor lebenden Person und das passiert natürlich auch im Kink, dass gesagt wird, haben sie denn eine Ahnung, woher diese Neigung kommt, gibt es da vielleicht ein Trauma und viele Menschen, die Kink leben, haben kein Trauma oder eine Erfahrung, die negativ ist. Vielleicht haben Sie positive Erfahrungen, denn alle Vorlieben, die wir haben, sind ja eine Kommunikation aus unserem Erbgut, was wir haben und der Sozialisation. Das heißt, wenn ich total gerne Vanilleeis mag, dann habe ich da vermutlich eine Veranlagung für und immer wieder erlebt, dass, wenn ich Vanilleeis esse, das eine gute Erfahrung war. Und das hat nicht immer mit dem Trauma oder einer negativen Erfahrung zu tun, wenn ich auf Praktiken oder Vorstehe oder Vorlieben habe, die nicht der Norm entsprechen. Nur weil ich anders bin, bin ich nicht falsch. Was kann ich da machen? Also die offene Diskriminierung ist oft gar nicht so offen, wie sie auf den ersten Blick jetzt von mir dargestellt wurde, weil viele Menschen diese subtilen Botschaften gar nicht bewusst wahrnehmen. Sie merken das oft in Form eines Unwohlseins und da Achtsamkeit für zu haben, wann das passiert und dann auch die Fähigkeit zu haben, zu entscheiden, ob ich das offen ansprechen möchte oder nicht. Das dauert einfach eine Weile, bis Menschen das lernen und daran scheitert es auch immer wieder. Aber nur weil es ein oder zwei oder 15 Mal scheitert, heißt es ja nicht, dass es immer scheitert. Und da darf ich dann immer noch mal hingucken, ob ich das irgendwie anders machen kann, ob ich mir Hilfe holen kann, damit ich dem nicht hilflos ausgeliefert bin. Also ich kann das natürlich auf der einen Seite ansprechen, aber auf der anderen Seite kann ich es einfach für mich anmerken, bemerken und würdigen und kann es dann mit einem anderen Netzwerk aufarbeiten. Und dann kann ich vielleicht entscheiden, dass ich aus dem Grund die Therapie beenden will oder das Therapeuti wechseln will. Aber dafür brauche ich eben Kraft und Mut und eine gewisse Klarheit. An dieser Stelle ist eben wichtig, dich ernst zu nehmen. Wenn du Gefühle hast, dass du jetzt irgendwie dich unwohl fühlst oder den Eindruck hast, dass dich da jemand diskriminiert oder nicht so achtsam behandelt, wie du das brauchst, dann darfst du dich ernst nehmen. Und gleichzeitig ist auch wichtig zu wissen, dass natürlich die Angst vor Diskriminierung und auch die Vorannahme von verschiedenen Dingen dazu führen kann, dass es überhaupt diskriminierend wahrgenommen wird, was da gerade passiert. Da ist eine ganz große Achtsamkeit und Reflexionsfähigkeit nötig. Auch das darf natürlich gerne dann therapeutisch begleitet werden. Aber da ist ja eine Henne und ein Ei. Also wenn ich auf der Therapiesuche bin und dann damit Probleme habe und dann nicht weiß, wie ich mich ernst nehmen soll und für das Ernstnehmen, wenn ich eine Therapie brauche, ist es alles gar nicht so einfach. Deswegen sind die Hinweise, die ich in der letzten Folge genannt habe, so wertvoll, dass du eben andere Möglichkeiten als die Gesprächstherapie nutzt, um dich zu unterstützen, dich zu regulieren und deine Gefühle zu würdigen. An der Stelle möchte ich noch auf deine Ressourcen hinweisen. Wenn du Opfer offener oder versteckter Diskriminierung bist, dann kann das sehr viel Kraft kosten, das aufzufangen, dass du da Opfer wurdest. Das kann sehr viel Kraft kosten, dich um dich zu kümmern, das offen anzusprechen oder sogar, wenn du die Löffel dazu hast, Maßnahmen zu ergreifen, damit diese Person nicht auch umschuldigt. Andere Menschen diskriminieren kann. Das wäre natürlich immer wünschenswert und gleichzeitig passieren viele Diskriminierungen ja im individuellen Kontext und sind gar kein System. Und gleichzeitig bist du nicht dafür verantwortlich, das System besser zu machen, indem du dann die Person bei der Kammer anzeigst und so, weil das kostet ja auch alles Kraft. Zumal in unserer Gesellschaft nicht besonders gut mit Opfern umgegangen wird. Der Fokus liegt schnell auf dem Täter, auf der Täterin und dann stehst du da ziemlich allein da und es kostet einfach total viel Kraft. Und da ist es eben wichtig, sich diese Ressourcen bewusst zu machen, dass das Kraft kostet, wie viele Ressourcen du hast oder eben auch wie wenige. Und da dann auch das Tool von Ablenkung und Vermeidung ein echtes hilfreiches Tool ist. Es wird überall gesagt, dass Vermeidung und Ablenkung was Schlechtes sei und dass man Gefühle nicht unterdrücken darf. Grundsätzlich würde ich auch nicht sagen, dass das falsch ist, aber es gibt Momente, in denen Vermeidung und Ablenkung wirklich einfach richtig gute Strategien sind. Und wenn das für dich die beste Strategie ist, dann darfst du die natürlich auch anwenden. Und gerade wenn ich darauf gucke, dass es eine handelnde Person gibt, die dir negative Gefühle macht, dann ist die Vermeidung des Prozesses, der Anzeige oder ähnliches durchaus eine Option. Und damit meine ich nicht aufschieben, sondern tatsächlich Vermeidung, weil eben dieser ganze Prozess unglaublich Kraft kostet, weil es eben eine Täter-Opfer-Umkehr gibt, also dass Opfer dafür verantwortlich gemacht wird, dass das passiert alleine schon durch so eine Frage, also der Klassiker ist ja. Da hat mich jemand, ich bin sexuell übergriffig behandelt worden, was hattest du denn an? Also das ist so eine klassische Täter-Opfer-Umkehr, die glücklicherweise nur noch selten passiert, aber es gibt viel subtilere Täter-Opfer-Umkehr. Also zum Beispiel, wenn das Kind nach einem Mobbing-Vorfall nach Hause kommt, dass die Eltern wirklich helfen wollen, aber dann eben so Sachen fragen wie, was könntest du denn das nächste Mal anders machen? Mir ist klar, dass den meisten da eine Selbstwirksamkeit im Kopf haben und dem Kind helfen wollen und gleichzeitig ist die subtile Botschaft, du kannst es beeinflussen. Und an manchen Stellen ist es sicherlich auch möglich, dass ich das in gewisser Form beeinflussen kann, aber wenn es dann trotzdem dazu kommt, ist nicht das Opfer schuld daran, sondern es ist immer noch wichtig, dann klar zu machen, der Täter, die Täterin hat falsch gehandelt. Und es gibt auch mittlerweile viele Menschen, die gar nicht mehr von Täter und Opfer sprechen, von Täter und Täter und Opfer, sondern die andere Begriffe nutzen, die mir jetzt gerade nicht geläufig sind, die mir jetzt gerade nicht einfallen. Also bei der offenen und auch unbemerkten und subtilen Diskriminierung achte da gut auf dich, nimm dich ernst, reguliere dich erstmal bevor du handelst. Vermeidung ist eine Option und such dir, wenn du das nicht alleine schaffst, wir Menschen haben ja immer ein Gemisch aus Co- und Selbstregulation im Köcher der Möglichkeiten. Dann guck bitte, bitte, bitte, dass du Unterstützung durch Trost oder durch Ablenkung in deinem Umfeld findest. Und manchmal kann es sogar hilfreich sein, ohne dass du erzählst, worum es eigentlich geht, um Trost zu bitten, dass da einfach jemand ist, der dich hält und der sagt, Mensch, du siehst aber gebeutelt aus und kann ich dich in den Arm nehmen? Da muss es oft gar nicht wirklich erzählt werden, was passiert ist, obwohl dieses der ganzen Geschichte Raum geben durch Erzählen natürlich oft auch ein Regulationsmechanismus in sich ist und hilfreich sein kann. Als letzten Punkt möchte ich auf den Leidensdruck bei der Suche und dem Start der Therapie eingehen. Unser Gesundheitssystem bietet nicht so viele Plätze für Gesprächstherapie an, die von der Krankenkasse bezahlt werden, wie sich viele Menschen das wünschen würden. Das ist lokal auch sehr unterschiedlich. Das bedeutet, dass viele Menschen sehr lange suchen und sehr lange auf einen Therapieplatz warten müssen oder dann vielleicht eine Frequenz haben, die nicht passt. Und das erzeugt großen Leidensdruck, denn vermutlich gehe ich ja nur dann in eine Gesprächstherapie oder eine Psychotherapie, wenn ich auch einen großen Leidensdruck habe. Das heißt, ich habe einen großen Mangel an, ich weiß nicht, Selbstwert, Fürsorge durchs Außen, einen großen Mangel an emotionaler Verbindung, einen großen Mangel an Bestätigung. Und diese großen Mängel sorgen dafür, dass es großen Sog und einen großen Druck gibt, dass jetzt ganz, ganz schnell was passiert. Das heißt, ich komme in den Stress, weil ich gefühlt nicht genug Unterstützung bekomme für die Zeit, die ich jetzt warte. Und das macht inneren Stress und das sorgt dafür, dass es mir eben noch schlechter geht. Und an dieser Stelle möchte ich direkt in die Lösung gehen und einfach nochmal das erwähnen, was ich am Ende der letzten Folge auch gesagt habe, dass der Prozess, sich ernst zu nehmen und zu gucken, welche Therapie passt zu mir und wie hätte ich es denn gern und was brauche ich denn eigentlich. Ein total wichtiger Anteil des Prozesses der Therapie insgesamt sein kann. Für sich einzustehen, sich ernst zu nehmen, sich zuzuhören, ist Teil oder kann Teil des therapeutischen Prozesses sein und das kann eben auch schon vor der Therapie passieren. An dieser Stelle ist es mir also wichtig nochmal zu sagen, dass der Prozess der Therapiesuche auch wichtig ist und dass du da Nutzen erkennen kannst, auch wenn es dich unendlich viel Kraft kostet. Und damit es dich nicht zu viel Kraft auf einmal kostet und du dich überforderst und dann vielleicht sogar noch in Burnout schlitterst oder in eine Anpassungsstörung schlitterst, ist es wichtig, dass du dir da die Zeit nimmst, die du brauchst, obwohl es in dir so einen großen Druck gibt. Da deine Selbstwirksamkeit zu unterstützen und zu gucken, was kann ich eigentlich jetzt heute für mich tun? Welche von den 100.000 Selbsthilfetools, die überall im Internet kursieren, ist denn überhaupt was für mich zu diesem Moment? Da wirklich dich ernst zu nehmen und zu gucken, was kann ich jetzt machen, auch mal eine Meinung zu holen, aber vor allen Dingen auf dich zu hören, kann da sehr, sehr wichtig sein. An dieser Stelle, gerade was so Selbsthilfe angeht, spielt KI für viele eine große Rolle. Das ist natürlich ein weites Thema, auf das ich jetzt nicht groß eingehen kann und möchte. Ich möchte nur erwähnen, dass die KI, egal welche du hast, total gute Tools hat, gut zusammenfassen kann, gut spiegeln kann und die ganze Zeit eine eigene Agenda hat, nämlich die, dich so lange wie möglich in Beschäftigung mit der KI zu halten. Dir so viele gute Gefühle wie möglich zu geben, damit du Lust hast, dich mit der KI zu unterhalten. Und das ist grundsätzlich nicht falsch. Es ist nur wichtig, dass du das im Kopf hast, dass eben das Ziel der KI ist, dich möglichst lange zu beschäftigen. Und wenn du das einfach mitdenkst, dann kannst du die KI vielleicht auf eine Weise für dich nutzen, die du sinnvoll findest. Abschließend möchte ich zu diesem Thema Therapiesuche sagen. Wir alle müssen insgesamt lernen, uns anzunehmen und gut für uns zu sorgen. Denn Erwachsenwerden passiert oft nicht von allein. Also Verantwortung für mich und alles, was ich brauche und tue, zu übernehmen, das passiert oft nicht von allein. Und wir sind es oft gewohnt, dass entweder sich jemand kümmert oder gut kümmert oder ich gar keine Hilfe bekomme. Und wenn ich mit dieser Einstellung ins Erwachsenenleben gehe und also entweder in der Warteposition bin, jemand kümmert sich, jemand anders ist schuld, das Außen ist wichtig, ich gucke nur aufs Außen. Oder davon ausgeht, dass nie Hilfe kommt und ich mich immer um mich alleine kümmern kann, dann ist eben genau diese oben erwähnte Balance zwischen Korregulation und Selbstregulation nicht gegeben. Und da in die Balance zu kommen, das ist das, was ich als Erwachsenwerden bezeichne, Und da ist es eben wichtig, sich anzunehmen und zu sehen, dass es Momente gibt, wo ich eher andere brauche und Momente gibt, wo ich eher mich und Selbstwirksamkeitsgefühle brauche. Und zu sehen, dass die Aufgabe, mich gut um mich zu kümmern, eine Lebensaufgabe ist und dass wir auf die einfach durch die Erziehung, wenn sie gut läuft, kümmert sich jemand anders, wenn sie scheiße läuft, muss ich mich immer selber kümmern, nicht in eine gute Balance kommen, sondern dass ich diese Balance erst im Erwachsenenalter aufnehme. Lerne. Und alles, was dir auf diesem Weg dazu hilft, ist gut. Selbst das Hören dieses Podcasts, falls das hilfreich ist. Und wenn ja, darfst du uns da gerne darüber informieren. Da freuen wir uns. So, jetzt bin ich am Ende der Praxisfolge angekommen. Ich habe heute darüber gesprochen, was das mit mir macht, wenn ich ein inneres Stigma und Angst vor Diskriminierung und Verurteilung habe, wenn ich mich also selber verurteile und von Außenverurteilung fürchte. Ich habe darüber gesprochen, wie ich mit offener oder subtiler Diskriminierung umgehen kann und dass ich da gut auf mich Acht geben darf und darauf gucken darf, ob ich gerade die Kapazitäten habe, damit ins Aus zu gehen oder ob ich lieber vermeiden möchte. Und als letztes habe ich über den Leidensdruck gesprochen, der mit dem Start der Therapie oft einhergeht, weil es eben oft zu lange dauert für den Druck, den ich habe. Und da ist es wichtig, schon den Anfangsprozess als wertvoll zu sehen und im Kopf zu haben, dass du ja sowieso nie fertig wirst. Wir alle wachsen ja, bis wir ins Grab steigen und das ist okay. Du musst nicht erst heile oder gesund sein, um eine Beziehung haben zu dürfen oder heile oder gesund sein, um wieder arbeiten gehen zu können. Wir haben alle immer, ich weiß nicht, zwischen 10 und 30 Baustellen offen und mal ist die eine wichtiger als die andere und mal die andere wichtiger als die eine. Und manchmal sind die Baustellen eben so groß, dass wir gar nicht mehr funktionieren. Und dann ist der Zeitpunkt da, spätestens da, sich therapeutische Hilfe zu holen. Unterstützung, Impulse und ähnliches kann ich mir auch schon bei den anderen Baustellen holen. So, und jetzt wünsche ich noch einen fantastischen Tag und danke dir sehr fürs Zuhören. Bis dann! Schön, dass du bei der heutigen Folge dabei warst. Wir freuen uns, wenn du etwas Wertvolles mitnehmen konntest. Vielleicht magst du es dir kurz notieren oder dir einen Moment nehmen, das gehörte noch ein bisschen sacken zu lassen. Wenn dir unsere Inhalte gefallen, empfiehle uns weiter. Gib uns gerne eine 5-Sterne-Bewertung auf den bekannten Podcast-Plattformen oder schreib uns unter podcast@sonjajuengling.de Wir freuen uns, wenn du mit oder ohne unsere Impulse ganz viel Wohlwollen in die Welt und in dein Herz trägst. Denn jede Person darf fühlen, was sie fühlt und hat gute Gründe für alles, was sie tut. Lass uns die Welt liebevoller und verständnisvoller machen. Und jetzt genieß dich und einen wundervollen Tag.

Feedback geben

Dir gefällt der Podcast und Du möchtest das mal loswerden? Du hast Tipps für neue Themen oder magst über den Inhalt bestimmter Folgen diskutieren? Dann wähle im Formular die jeweilige Episode aus und schreib uns eine Nachricht. Vielen Dank für Dein Feedback!

Mit einem Klick auf "Nachricht absenden" erklärst Du Dich damit einverstanden, dass wir Deine Daten zum Zwecke der Beantwortung Deiner Anfrage verarbeiten dürfen. Die Verarbeitung und der Versand Deiner Anfrage an uns erfolgt über den Server unseres Podcast-Hosters LetsCast.fm. Eine Weitergabe an Dritte findet nicht statt. Hier kannst Du die Datenschutzerklärung & Widerrufshinweise einsehen.

★★★★★

Gefällt Dir die Show?
Bewerte sie jetzt auf Apple Podcasts